Mönchengladbach Kunst überwuchert morbide Gärtnerei

Mönchengladbach · "Glasgrün" ist eine typische Mischpoke-Ausstellung: Diesmal lassen sich 16 vom Kunstverein eingeladene Kreative vom Charme der zum Abriss stehenden Gewächshäuser in Hermges anregen.

Irgendwo im architektonischen Durcheinander zwischen Verkaufsraum, Gewächshäusern und Backsteinbau, also im Zentrum der ehemaligen Gärtnerei an der Buscherstraße in Hermges, hat Ulrike Scholder ihre Arbeit "Das Blut der Pflanzen" aufgebaut. In Dutzenden von Reagenzgläsern hat sie bräunlichen Saft eingestöpselt, in dem sich unter Licht Blattgrün absetzt. Kleingerasterte, vorgefundene Anzucht-Boxen dienen als Ständer, eine verrostete Schubkarre als Aufbewahrungsort. Aus Petrischalen schauen tote Spinnen, Käfer, Falter. Im Souterrain ist die alte Heizungsanlage mit blaugrauem Schaum aus dem Feuerlöscher ins Jenseits befördert. Ein QR-Code an der Wand leitet das Smartphone zu einem Video.

"Glasgrün" nennt der Gladbacher Kunstverein "Mischpoke" nach einer Keramik-Arbeit der ehemaligen Wasserturm-Stipendiatin Eva Weinert - ein halb abgerissenes, schimmliges Tapetenstück - seine aktuelle künstlerische Haus-Besetzung. In einem der in einen verwilderten Garagen-Hinterhof übergehenden Gewächshäuser sprüht Coen Vunderink aus Groningen Dosenfarbe auf aufgehängte Vorhänge mit floralen Mustern, stellt Skulpturen zwischen Unkraut, Plastikabfall, Gärtner-Utensilien. "Was ist Kunst, was ist Müll, was Natur?" - seine Fragen zielen aufs Wahrnehmen.

Nebenan hat Sophia Bauer Hängelampen ins Glashaus gehängt, in dem Sam Hopkins, aktueller Atelierstipendiat der Stadt und der Wilberz-Stiftung, lebende Disteln in Silber-Lack erstickt hat. Parallel dazu hat Nanja Gemmer, Meisterschülerin an der Düsseldorfer Kunstakademie, eine Magenta-Farbexplosion im Treibhaus angerichtet: Stiefel, Schläuche, Glasscheiben, Pflanzen, Übertöpfe - alles wirkt unwirklich körperlich.

Die Dieter Langen Liegenschaften werden das Gelände, das an die Theodor-Heuss-Straße grenzt, komplett abreißen und zu einem Quartier entwickeln. Langen selbst ist auf Mischpoke zugegangen für diese Ausstellung. Der Verein hat die Künstler nicht lange bitten müssen. So hat der neu in Düsseldorf ansässige Japaner Hiroki Tashiro in einen Wohnraum, dessen Efeu-Tapete von herrlich schwarzen Schimmelmustern überwuchert ist, eine Stelzenwelt installiert. In der geistern filigrane Figuren herum, zwischen Blümchen aus dem Garten. David Semper aus Düsseldorf hat im Keller gefundene jahrzehntealte Einweckgläser geöffnet und samt Inhalt in Fertigbeton gedrückt - der Kompott bindet die Masse ab und bildet knollige Pilz-Skulpturen, die auf bloßen Holzdielen installiert sind.

Christian Gode aus Bochum teilt ein Wohnzimmer in der Diagonale, den einen Teil hat er weiß getüncht, den anderen mit rosa Teppichboden und Wasserfleck an der Decke unberührt gelassen. Johannes Trittin aus Krefeld zeigt großformatige geprägte Büttenpapiere, Stahlskulpturen mit Knick im Badezimmer. Max Leiß' verstörende Architektur-Fotografien bevölkern Toiletten und Bäder.

Und so fort bis hinauf ins undichte, rohe Dachgeschoss. Immer wieder gelingt es der Kunst und den Künstlern, sich an einer wahrlich anstößigen Architektur zu ergötzen, sie zu verwandeln und neu zu beleben, bevor sie verschwinden wird. Einvernehmlich, widerständig, kontrastreich unterm Mischpoke-Dach.

Glasgrün: Bis Sonntag, 30. August, Buscherstraße 37. Geöffnet samstags und sonntags jeweils 13-17 Uhr. Zur Finissage gibt es eine Tombola. Info: www.mischpoke.eu.

(ark)
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