Mensch Gladbach Manieren! Anstand!! Ehrlichkeit!!!

Mönchengladbach · Meine Verehrung, geneigte Leser! Hier ist heute aus gutem Grunde mal ganz alte Schule angesagt. Machen Sie sich gefasst auf einen Exkurs über Manieren, Anstand und Ehrlichkeit. Erinnern Sie sich mit mir an die gute alte Zeit, als man noch wusste, dass Benehmen weder der Name einer Hip-Hop-Kapelle noch ein Shop im Minto ist. Sondern eine Menschenpflicht.

Der englische Philosoph Sir Francis Bacon hat vor ziemlich genau 400 Jahren eine ganz passable Bedienungsleitung für gutes Benehmen geschrieben. Man solle, riet er, stets die eigene Würde bewahren, ohne die Freiheit anderer zu zerstören. Obwohl der Satz schlüssig und nicht sonderlich schwer zu verstehen und zu merken ist, muss er irgendwann in den vergangenen 400 Jahren aus dem kollektiven Gedächtnis gerutscht sein. Bedauerlicherweise. Denn die Folgen wiegen schwer.

Ich nenne Ihnen mal ein paar ganz aktuelle Beispiele, die mich zornig machen. Egal, ob es um die jüngste Flüchtlingsunterkunft oder den in Rheydt geplanten Christopher Street Day geht: Die Schar jener, die aus solchen Anlässen pöbelnd und geistig marodierend durch Flora und Fauna der sozialen Netzwerke zieht, ist auch bei bestem Wollen schwer zu übersehen. Alles, was ihnen fremd ist, wird in ihren ideologischen Häcksler gestopft. Sie müssen mit brachialer verbaler Gewalt und schwachen Argumenten das Offensichtliche leugnen: Dass Flüchtlinge in der Mehrzahl Menschen wie unsere Großeltern, oder noch besser: Menschen wie Du und ich sind, nur mit viel weniger Glück. Und dass Homosexuelle andere sexuelle Präferenzen haben als man selbst, was zu keinerlei Konflikten führt, außer wenn man mit ihnen das Bett teilt. Und genau so natürlich: Dass es nette und unerträgliche Deutsche gibt, herzensgute und schwerkriminelle Ausländer, großartige und fürchterlich nervige Homosexuelle. Wie könnte es auch anders sein!

Aber wer seinen eigenen Nabel für den der Welt hält und mit dem Ellenbogen denkt - weil er fürchtet, der Rest der Welt könne so aggressiv sein wie man selbst - der parkt dann eben nicht nur mitten auf dem Rheydter Markt. Weil es halt geht. Wenn man alle Regeln bricht. Und weil es völlig egal ist, was das mit dem Rest der Welt macht. Diese Menschen brauchen nicht mehr Welt; sie genügen sich selbst. Sie empfinden ihr Gegenüber nicht als Menschen, der potenziell anders tickt und einen bereichern kann, sondern als jemanden, den es in einem Glaubenskrieg entscheidend zu schlagen gilt. Drum wird jede in Wahrheit nachrangige Frage - von Minto über Fußball bis Esel - mit einer Leidenschaft verhandelt, als ginge es um die letzten Dinge. Wer braucht noch so altmodischen Kram wie Manieren, Anstand und Ehrlichkeit, wenn er todsicher weiß, dass er Recht hat?

Wie soll man als Politiker Wähler gewinnen, die durch eine solche Brille auf die Welt blicken? Wahrscheinlich wie der SPD-Vorsitzende Felix Heinrichs, der in einer SPD-internen Publikation die Lage in einer Überschrift so zusammenfasst: "Wir sind der politische Motor für Mönchengladbach." Das ist so lautsprecherisch-halbstark, so faktenfrei-hingebogen, so buhlend-bettelnd, dass man doch lieber lacht als weint. Immerhin parkt er nicht auf dem Rheydter Markt, sondern erhöht nur gegen die sozialdemokratische Überzeugung die Parkgebühren drum herum. Nur der Vollständigkeit halber: Über alle Parteien ließe sich in Abstufungen ähnliches sagen.

Manieren, Anstand und Ehrlichkeit. Das sind wir Menschen uns einander schuldig.

Habe die Ehre und küss die Hand!

(RP)
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