Mönchengladbach Wir distanzieren uns von Islamisten

Mönchengladbach · Der Mönchengladbacher Hodscha Adnan Özden (33) berichtet im Gespräch über den Islam, die Probleme der Integration, die geplante Eickener Islamistenschule und seine Einstellung zur religiösen Erziehung. Über sich selbst sagt der in Waltrop Geborene: "Ich bin definitiv ein Deutscher."

Herr Özden, Sie sprechen sehr gut Deutsch, obwohl sie ja eigentlich Türke sind.

Özden Das liegt daran, dass ich in Waltrop im Kreis Recklinghausen geboren und aufgewachsen bin. Meine Eltern sind Anfang der 70er Jahre als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen.

Waren Ihre Eltern streng gläubig?

Özden Meine Eltern sind sehr religiös, aber nicht sehr streng. Wir haben in meiner Kindheit über Themen wie Pflichtgebete gesprochen, sie aber nicht extensiv praktiziert. Meine Eltern haben es uns überlassen, wie oft wir beten. Sie lehrten uns, immer höflich zu sein und bei den Süßigkeiten auch immer den Freunden etwas abzugeben.

Hatten sie als Kind viele deutsche Freunde?

Özden Eigentlich hatte ich, bis ich sechs war, nur deutsche Freunde. Vielleicht auch deswegen, weil ich als Deutsch-Türke kaukasischen Typs blond bin und blaue Augen habe und deshalb nicht weiter auffalle. Den ersten Kontakt zu anderen Türken hatte ich erst auf der weiterführenden Schule.

Sind Ihre Eltern stolz auf Sie?

Özden Mein kleiner Bruder ist auch Hodscha. Ich weiß nicht, ob meine Eltern explizit stolz darauf sind. Aber ich kann mir vorstellen, dass sie schon recht zufrieden mit uns sind.

Wie wird man Hodscha?

Özden Ich habe eine Ausbildung beim Verband der Islamischen Kulturzentren in Köln gemacht. Das hat sechs Jahre gedauert. Die Inhalte sind dabei vergleichbar mit denen eines Studiums der Islamwissenschaften.

Was machen Sie für Erfahrung mit Integration?

Özden Meine Familie hatte nie Probleme damit. Wir wurden auch nie von der Seite angemacht. Manchmal schauen die Leute nur verwundert, wenn sie mich für rein deutschstämmig halten und neben mir meine Frau mit ihrem Kopftuch sehen.

Sehen Sie sich heute als Deutscher oder als Türke?

Özden Ich bin definitiv Deutscher. Die ganze Umgebung hier sagt mir mehr zu als die türkische. Ich fahre gern in den Urlaub in die Türkei, aber nach zwei Wochen reicht es dann auch und ich freue mich, wenn ich wieder zu Hause bin. Ich fühle mich sehr wohl in Deutschland.

Worauf legen Sie besonderen Wert als Hodscha?

Özden Mein größtes Anliegen ist die Jugendarbeit. Da stecke ich sehr viel Herzblut rein. Ich möchte sie auch dabei unterstützen, ihren Glauben in der Gesellschaft auszuleben.

Wie sieht das in der Gemeinde konkret aus?

Özden Wir wollen beispielsweise die Chancen der Jugendlichen in der Schule und bei der Arbeitsplatzsuche erhöhen, indem wir ein Profiling betreiben. Das heißt, dass wir prinzipiell Karriere-Beratung betreiben. Wir organisieren außerdem von der Moschee aus Stadtrallyes, damit die Jugendlichen Mönchengladbach kennenlernen können. Im Frühjahr hatten wir auch ein sehr interessantes Kochprojekt: Da haben die Jungs einmal für die Frauen gekocht.

Sehen die Mitglieder ihrer Gemeinde solche Aktionen wegen der Geschlechtertrennung nicht kritisch?

Özden Geschlechtertrennung ist natürlich ein kritisches Thema. In der Moschee dürfen Frauen und Männer ja nicht zusammen beten. Als Hodscha muss ich immer schauen, dass die Regeln des Koran auch eingehalten werden, manchmal leiste ich aber auch viel Überzeugungsarbeit.

In welcher Sprache predigen Sie eigentlich in der Moschee?

Özden Sowohl auf Deutsch als auch auf Türkisch.

Sie pflegen den interreligiösen Dialog. Wo gibt es Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede zwischen den Religionen?

Özden Wenn man sich näher mit Islam und Christentum auseinandersetzt, fällt auf, dass es sehr viele Parallelen gibt. Gott ist in beiden Religionen der gleiche und wir glauben auch an Jesus, betrachten ihn jedoch als Prophet. Da gibt es jedoch noch weit mehr. Wir Moslems glauben im Prinzip an alle Religionen. Doch wir leben danach, was Mohammed als letzter Prophet uns überliefert hat.

Heißt das, dass Sie Christen bekehren wollen?

Özden Nein, unsere Aufgabe und unser Ziel ist es, nicht zu bekehren. Wir haben in unserer Gemeinde 300 Muslime und alle waren von Geburt an Moslems und sind nicht etwa konvertiert. Das Ziel unserer Gemeinde ist es hauptsächlich, die muslimischen Jugendlichen in religiösen Angelegenheiten zu unterstützen.

Wie sieht die religiöse Erziehung bei Ihren Kindern aus?

Özden Ich habe eine siebenjährige Tochter und einen dreijährigen Sohn. Als Hodscha bin ich verpflichtet, sie im islamischen Glauben zu erziehen. Das heißt, dass ich ihnen alles, was ich über das Beten, Fasten und den Islam weiß, beibringen werde. Wie sich die beiden später einmal entscheiden, bleibt allein ihnen überlassen. Das freie Entscheidungsrecht ist eine Eigenschaft des Islam. Religion kann nicht aufgezwungen werden.

Wenn sich Ihre Kinder tatsächlich gegen den Islam entscheiden würden, was wäre ihnen lieber: Christentum oder gar keine Religion?

Özden Das ist natürlich eine schwierige Frage. Aber wenn Sie mich so fragen, ist das Christentum besser. Dann würden sie wenigstens an Gott glauben.

Und die vieldiskutierten Themen Kopftuch und Schwimmunterricht?

Özden Von einem Kopftuch-Verbot halte ich persönlich nichts. Außerdem bin ich wegen der Geschlechtertrennung tatsächlich dagegen, dass Jungs und Mädchen zusammen Sport machen.

Ist die derzeitige Diskussion um die geplante Islamschule in Eicken auch Thema in der Moschee?

Özden Die Leute haben es registriert und möchten sich davon distanzieren. Es lohnt nicht, sich damit auseinanderzusetzen.

Halten Sie die Menschen in der Eickener Gemeinde für Ihre Brüder und Schwestern?

Özden Als Hodscha bin ich zunächst einmal angewiesen, jedem Menschen neutral zu begegnen. Ich kenne jedoch Gerüchte und weiß deshalb einiges über die Gruppe. Daher möchte ich nichts mit denen zu tun haben. In dieser Sache vertraue ich den Behörden.

Was kritisieren Sie zum Beispiel?

Özden In einem Internet-Video wurde gesagt, dass ein Moslem nur in einem nicht muslimischen Land leben darf, wenn er versucht, zu missionieren. Das ist Quatsch.

Ist der Islam eine gewaltbejahende Religion?

Özden Der Islam lehnt Gewalt grundsätzlich ab, es gibt Verse, die solch einen Inhalt haben. Diese werden dann allerdings aus dem Kontext gerissen und falsch interpretiert. Und zum Selbstmord: Selbstmordanschläge wie die auf das World Trade Center sind nach der Auffassung des Islam der direkte Weg in die Hölle, und nicht etwa der Weg ins Paradies.

Machen die Vorfälle in Eicken ihren Job schwieriger?

Özden Nein, sie sind eine sehr gute Gelegenheit, den Menschen in Mönchengladbach zu zeigen, wie die Mehrheit der Muslime wirklich lebt und dass hier ein gutes Klima zwischen Muslimen und Christen besteht.

Das Gespräch führten Ralf Jüngermann, Gabi Peters und Wiljo Krechting.

(RP)
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