Moers Hochbegabte brauchen Kümmerer

Moers · Unter dem Motto "Talentvielfalt" hat Birgit Feldmann erstmals einen Aktionstag organisiert, bei dem sich Interessierte rund um das Thema Hochbegabung informierten.

 Maria Reinke mit ihren Kindern Adrian (6) und Mika (3) am Stand der Montessorischule Niederrhein.

Maria Reinke mit ihren Kindern Adrian (6) und Mika (3) am Stand der Montessorischule Niederrhein.

Foto: Klaus Dieker

"Jeder Mensch will seine Begabungen entfalten, um dabei immer mehr er selbst zu werden", lautet ein Zitat des Schweizer Kinderarztes Remo Largo. Es ist eins der Lieblingszitate der Moerserin Birgit Feldmann. Sie leitet einen Elterngesprächskreis der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind. Neben Info-Ständen auf einem "Markt der Möglichkeiten" gab es in der Barbaraschule Vorträge für Erwachsene und Workshops für Kinder.

"Hochbegabt" - ist das nicht so ein Modewort, das (über-)ehrgeizige Eltern gern bemühen, um ihr Kind aus der Menge herauszuheben? Um seine Unfähigkeit sich anzupassen auf scheinbar arrogante Art zu rechtfertigen? Feldmann kennt das Vorurteil und möchte ihm entgegenwirken. Hochbegabung sei so viel mehr, ein äußerst vielschichtiges Thema. Es gehe darum, alle möglichen Talente zu fördern und Kinder darin zu unterstützen, ihre ureigene Begabung zu leben. Denn nur so können sie glücklich werden und ihre besonderen Fähigkeiten in die Gesellschaft einbringen. Ganz egal, ob als Arzt oder Handwerker.

Hochbegabung gibt es im mathematisch-logischen, im sprachlichen, musischen, bildlich-künstlerischen, sportlichen oder sozialen Bereich. Oft betrifft die Begabung mehrere Bereiche gleichzeitig. Etwa drei Prozent der Kinder trügen so ein außergewöhnliches Talent in sich. Die große Mehrheit sei unauffällig, könne sich den Strukturen in Kindergarten, Schule und sozialer Gruppe anpassen. 20 Prozent aber kämen aus den unterschiedlichsten Gründen nicht zurecht. Das betrifft insbesondere die Schule. Der Klassiker sei, dass die Lehrerin die Eltern anspreche, dass das Kind sich zurückziehe und verweigere. Oder dass es ohne Punkt und Komma rede und außer Rand und Band sei.

Was kann helfen? Ein Intelligenztest? Das sei nicht immer anzuraten, meint Jeannette Hagdorn, eine der Mitorganisatorinnen. Es gebe zwar standardisierte Tests, die beispielsweise ein psychologischer Dienst durchführe. Doch eine fremde Umgebung, eine fremde Person, die den Test durchführe, verfälsche das Ergebnis. Außerdem erfasse solch ein Test viele Fähigkeiten gar nicht.

Hannes Hagdorn ist ein aufgeweckter Achtjähriger. Ganz besonders liebt er das Singen. Er hat schon häufig bei Musicals mitgewirkt und liebt es, auf der Bühne zu stehen. "Ich möchte gerne Sänger werden", sagt Hannes.

Beim Aktionstag findet er den Workshop beim Atelier "Roter Fuchs" besonders toll, bei dem er einen großen, bunten Fisch auf eine Leinwand gemalt hat. Auch das Rollenspielseminar, bei dem man Figuren erfindet und in eine Fantasiewelt abtaucht, findet er klasse, genauso wie den Physik-Workshop, bei dem Experimente durchgeführt werden.

Anders als Hannes, der ein guter Schüler ist, kommen viele Hochbegabte in einer normalen Schule nicht zurecht. Sie sind intellektuell unterfordert und/oder emotional überfordert. Manche Kinder haben eine niedrigere Reizschwelle als andere, sie können die sinnlichen Eindrücke ihrer Umgebung nicht filtern und werden von ihnen überflutet.

Eine solche "Hochsensibilität" zu erkennen und zu benennen, kann schon ein erster Schritt zur Besserung sein. Oft kann auch Ergotherapie helfen. Aus diesem Grund arbeitet eine Schule wie die Duisburger "Sternenschule" eng mit einem Therapiezentrum zusammen.

Auf dem "Markt der Möglichkeiten" stellten auch die Montessori-Schule Niederrhein, das Duisburger Kompetenzzentrum für Begabungs- und Begabtenförderung und der Verein "autismus Niederrhein" ihre Angebote vor. Birgit Feldmann ist die Vernetzung besonders wichtig, um jedes Kind individuell zu unterstützen. Sie hat eine Weiterbildung zum Coach für Hochbegabte gemacht und möchte mit ihrem Gesprächskreis, der sich einmal monatlich in der Barbaraschule trifft, den gegenseitigen Austausch fördern.

Sie hat die Erfahrung gemacht, dass Kinder, die so viel fragen, lesen, tüfteln, sich bewegen und sich ausprobieren dürfen wie sie wollen, ausgeglichener und leistungsfähiger sind. Der eine werde beim Schachspielen gefordert und könne sich ausleben, der andere möchte gerne tanzen oder singen. Bei Pädagogen und Eltern den Blick zu schärfen und zu weiten für die Vielfalt an Begabungen, Interessen und Besonderheiten, dafür setzen sich engagierte Mütter wie Birgit Feldmann ein.

(rauh)
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