Moers Schlesische Wurst-Tradition geht zu Ende

Moers · Annemarie und Karl Bögner schließen mit dem Jahreswechsel ihre Metzgerei, die unter anderem für ihre schlesischen Spezialitäten bekannt ist. Die Filiale in Eick und die Marktstände in Moers und Rheinhausen wird es aber weiter geben.

Unter der Kundschaft herrscht bereits seit Wochen großes Bedauern - mit dem Jahreswechsel schließt die Metzgerei Bögner an der Uerdinger Straße. Karl und Annemarie Bögner hören auf. Das Geschäft geht immer noch gut, aber die beiden fühlen sich reif für den Ruhestand.

Damit endet eine Tradition, die im Jahr 1897 mit Großvater Carl Bögner in Schlesien begonnen hat, genauer gesagt, im Örtchen Patschkau. Dort gründete die Familie Bögner eine Metzgerei, die kurz darauf nach Glogau verlegt wurde. Karl Bögner zeigt eine alte Fotografie: Stolz posiert dabei die Belegschaft vor einem Laden mit Gründerzeitstuck über dem Schaufenster. Der Schriftzug über der Tür lautet: "Fleischerei und Wurst-Fabrik Carl Bögner".

Nach dem Zweiten Weltkrieg und Flucht aus den deutschen Ostgebieten gab es für die Familie einen Neuanfang am Niederrhein. Karl Bögner, heute 77 Jahre alt, kam 1946 mit einem Güterzug in den Westen. Sein Vater Ewald startete in Rheinhausen 1951 ein Marktgeschäft. Seit 1961 ist der Sitz der Metzgerei an der Uerdinger Straße in Moers.

Karl Bögner übernahm in den 70er Jahren den Betrieb. In Moers-Eick wurde eine Filiale gegründet. Auch auf der Moerser Steinstraße war die Metzgerei mit einem Geschäft vertreten, von 1989 bis 2007. Die Marktstände der Bögners gehörten jahrzehntelang untrennbar zum Bild der Märkte in der Region. "Auf dem Rheinhausener Markt haben wir 65 Jahre gestanden", sagt Annemarie Bögner, die aus Gelsenkirchen stammt. Manche Kunden hätten zum Abschied eine Träne vergossen.

Beständigkeit zeigen die Bögners auch bei ihrer Belegschaft. Viele sind schon seit Jahrzehnten hier beschäftigt. Das schätzen die Kunden, ebenso wie die bewährten Spezialitäten. Dazu zählt vor allem die schlesische "weiße Bratwurst" zur Weihnachtszeit. Hergestellt wird diese Delikatesse aus Kalbfleisch, zu den Zutaten gehören Zitrone und Milch.

"Manche Kunden kommen wegen dieser Wurst extra aus Düsseldorf", sagt Karl Bögner stolz. Diese Kunden seien über die Schließung bestürzt. "Viele fragen: Wo bekommen wir nun die Wurst her?" Weitere Spezialitäten des Geschäftes sind hausgemachtes Schmalz, Wellwurst und "Polnische".

Zumindest für die Kunden der Filiale in Eick gibt es eine gute Nachricht: Ein Mitarbeiter der Bögners, der Fleischermeister Manuel Vervuurt, wird diesen Laden weiterführen. Er übernimmt auch zwei bewährte Mitarbeiterinnen, Monika und Ulrike Borg. Und auch der Stand auf dem Moerser Wochenmarkt bleibt erhalten - diesen übernimmt die Metzgerei Boruta aus Kamp-Lintfort. Auch den Marktstand in Rheinhausen wird sie weiter führen.

Einen Metzgerladen zu leiten, das bedeutet Arbeit von früh bis spät. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Gesundheit. Karl Bögner, der früher sportlich aktiv war und unter anderem beim Wasserski auf den Brettern stand, hat inzwischen Beschwerden im Knie. Was die Eheleute ab dem Januar mit der vielen freien Zeit anfangen werden, darüber haben sie noch keine detaillierten Pläne gefasst. "Erst einmal aufräumen", meint Karl Bögner scherzhaft.

(s-g)
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