Nettetal Die Familie Niedieck und die Kirche

Nettetal · Vom Leben der Unternehmer-Dynastie in Lobberich erzählte Ewald Meyer beim Monatstreff der evangelischen Kirchengemeinde. Seinen Vortrag würzte er mit vielen kleinen Anekdoten.

Dass der Name Niedieck auch in Hinsbeck noch heute auf großes Interesse stößt, zeigte der Besuch im Parkstübchen: Immer wieder mussten noch Stühle hineingeschafft werden, als Ewald Meyer auf Einladung des Männerkreises der evangelischen Kirchengemeinde über die katholische Familie Niedieck in Lobberich sprach. Dabei ging es nur am Rande um die "weltgrößte Samtweberei", in der auch viele Hinsbecker Familien über Jahrzehnte ihren Lebensunterhalt verdienten.

Julius und Karl Niedieck kamen aus dem katholisch geprägten Westfalen an den nicht minder katholischen Niederrhein. Ihre Vorfahren stammen aus Marienfeld im Kreis Gütersloh, wie sie am Zisterzienserkloster als Fischer den "neuen Teich" hegten und pflegten. Wie und warum sie über Warendorf nach Stromberg, heute ein Teil der Stadt Oelde im Kreis Warendorf, übersiedelten, hat Erwin Meyer bei seinen Nachforschungen über die Familie nicht herausgefunden. Dort gibt es eine Ludwig-Niedieck-Straße, die an jenen Amtschreiber erinnert, der um 1790 von einer Reise nach Spanien und Frankreich die Pflaume mitbrachte, die den Ort in Westfalen bekannt gemacht hat.

Beide waren mit dem Segen der Kirche verheiratet: Julius mit Bertha Mengelbier, eine Tochter eines Aachener Fabrikanten, der hochherrschaftliche Kutschen herstellte, Karl mit Anna Katharina Sofia Kessels, der Tochter des Lobbericher Bürgermeisters, die die Burg Ingenhoven als Mitgift in die Ehe brachte. Die Lobbericher Textilbarone zeigten sich sehr spendabel, hatten aber offenbar ein distanziertes Verhältnis zur katholischen Kirche. Karl Niedieck stiftete Anfang der 1880er-Jahre 20 000 Mark für den Aufbau eines Fonds zum Bau eines Krankenhauses in Lobberich. Die Erben des im August 1895 verstorbenen Julius Niedieck stellten noch im selben Jahr der Gemeinde Breyell 40 000 Mark für den Bau eines Krankenhauses zur Verfügung - unter der Bedingung, dass das Krankenhaus von der Zivilgemeinde verwaltet werde. In beiden Gemeinden waren Pfarrer bestrebt, kirchliche Hospitäler zu errichten, doch die Niediecks gaben das Geld an die Gemeinde.

Als Julius Niedieck starb, wurde er im schon zu Lebzeiten errichteten Mausoleum neben dem Lobbericher Gemeindefriedhof beigesetzt - von einem altkatholischen Geistlichen. Warum? Das hat Meyer nicht herausgefunden. In der altkatholischen Gemeinde Krefeld existiert nur noch der Hinweis, dass einer ihrer Geistlichen in Lobberich gewesen ist.

Wie Karl Niedieck 1911 beerdigt worden ist, ist nicht festgehalten. Nur weiß man, dass sich auch sein Pferd am Grabe von ihm verabschiedet hat. Die Karl-Niedieck-Gruft liegt gleich neben dem Ehrenmal für die Toten aus dem Krieg 1870/71. Meyer ist auch der Frage nachgegangen, ob die Niedieck-Brüder etwa Freimaurer waren. Auf den Grabstellen finden sich keine Hinweise darauf, weitere Nachforschungen verliefen im Sande.

Julius Niediecks Tochter Bertha heiratete den evangelischen Gutsbesitzer Alexander von Heimendahl (Haus Bockdorf, Kempen). Sein Sohn Paul wurde Großwildjäger und Schriftsteller. Er blieb unverheiratet.

Karl Niediecks Bruder Clemens August Anton heiratete 1882 in New York Anna Luise Eckhard, die nach dem frühen Tod ihres Mannes (1893) Lobberich verließ und nach Düsseldorf verzog. Dort wurde sie eine der Gründerinnen des Vereins vom "Guten Hirten", einem Vorläufer des Sozialdienstes katholischer Frauen. An sie erinnert in Düsseldorf noch das Anna-Niedieck-Haus, wo heute eine sozialpädagogische Wohngruppe untergebracht ist. Auch bei der Vereinsgründung in Krefeld stand sie 1907 Pate.

(mme)
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