Serie Chancen Für Flüchtlinge Und Gesellschaft Musizieren gegen das Flucht-Trauma

Neuss · Etwa 25 junge Flüchtlinge erhalten in der Kaarster Musikschule von Mark Koll kostenlos Instrumental- und Gesangsunterricht.

 "Jeder hilft, wo er kann. Da können wir als Musikschule auch was tun", sagt Mark Koll, hier im Unterricht mit Omar (10, vorne), Fatema (20) und Rama (18, re.). Sein Team hat noch Kapazitäten frei.

"Jeder hilft, wo er kann. Da können wir als Musikschule auch was tun", sagt Mark Koll, hier im Unterricht mit Omar (10, vorne), Fatema (20) und Rama (18, re.). Sein Team hat noch Kapazitäten frei.

Foto: G. Salzburg

Kaarst Musik ist grenzüberschreitend und funktioniert auch ohne viel Sprache. Darum weiß auch Mark Koll, Inhaber einer privaten Kaarster Musikschule. Deshalb bietet er mit seinem Team seit über einem halben Jahr Flüchtlingen kostenlosen Musikunterricht an. Derzeit kommen etwa 25 Flüchtlinge regelmäßig in seine Schule, lernen Gitarre, Blockflöte, Keyboard, Akkordeon oder Gesang.

Etwa zehn Lehrer unterrichten die Flüchtlinge, so Koll. Jeder seiner 35 Lehrer habe sich freiwillig bereiterklärt, kostenlos und ehrenamtlich Flüchtlingen Musikunterricht zu erteilen. "Wir haben also noch Kapazitäten", sagt Koll. Ihm persönlich ist es eher unangenehm, von seinem Engagement zu erzählen. Er möchte nicht viel Aufhebens darum machen. Andererseits wünscht er sich, dass mehr jüngere Flüchtlingskinder in seine Musikschule kommen. Denn von den 25, die regelmäßig zum Unterricht erscheinen, sind 15 über 18 Jahre alt. "Ich würde mich freuen, wenn Lehrer oder Mitarbeiter in Kindertagesstätten unser Angebot weitererzählen", sagt Koll.

Als er sah, wie zusammengepfercht viele der Flüchtlinge leben müssen, dass sie - solange ihr Status nicht geklärt ist - nicht arbeiten dürfen, und wie schwer es ihnen falle, die Freizeit sinnvoll zu gestalten, stand für ihn fest: "Jeder hilft, wo er kann. Da können wir als Musikschule auch was tun." Er nahm Kontakt zur Stadt auf und streute Informationen in seinem großen privaten Netzwerk. Zudem besuchte er die Flüchtlinge in ihren Unterkünften. "Meine arabischen Freunde begleiteten mich, um zu übersetzen." Drei Institutionen - der "Theaterverein Kaarst - Büchner-Ensemble", die Nicolai-Thiel-Stiftung sowie das Bebop - haben das Projekt mit Spenden unterstützt. "Rund 1000 Euro kamen zusammen, weitere 1000 Euro haben wir als Musikschule gegeben", sagt Koll. So wurden Instrumente angeschafft, die kostenlos verliehen werden. "Insgesamt waren bisher schon etwa 80 Flüchtlinge hier", erzählt Koll. Nicht alle blieben - so wie andere Schüler auch: Die einen stellten fest, sie seien nicht talentiert genug, andere mochten nicht üben oder hatten schlicht keinen Spaß. "Manche wurden auch anderen Städten zugewiesen", so Koll. "Die meisten aber üben eifrig und sagen zuverlässig ab, wenn sie nicht zum Unterricht kommen." Manche Schüler seien traumatisiert. "Wenn die richtig in der Musik drin sind, werden Emotionen freigesetzt. Dann gibt es auch mal Tränen oder Wutausbrüche", so Koll. Sobald so etwas vorkommt, kümmern sich Musiktherapeuten um die Heranwachsenden.

Auch die sprachlichen Hindernisse seien kaum ein Problem. Eine Verständigung - auf Deutsch oder Englisch - sei aber zwingend, so Koll. "Nur mit Zeichensprache kann Musikunterricht nicht funktionieren. Dann könnte man sich auch einfach Videos anschauen." Das Vermitteln der korrekten Technik sowie der Noten, aber auch das Überprüfen des Erlernten gehe nur über den persönlichen Kontakt und somit über die Sprache. Koll: "Diese Nachhaltigkeit ist mir sehr wichtig."

(BroerB)
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