Überraschender Geldsegen Neuss verdient an Flüchtlingen

Neuss · Während die Kommunen landauf, landab über die gewaltigen Kosten klagen, die durch die Aufnahme von Flüchtlingen entstehen, genießt die Stadt Neuss einen warmen Geldsegen. Sie erhielt pauschal für die Versorgung ihrer Flüchtlinge 6,6 Millionen Euro. Das sind 5,9 Millionen mehr als erwartet und vier Millionen mehr, als sie nach eigenen Angaben direkt für die Flüchtlingsarbeit ausgab.

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Von einem Profit will Sozialdezernent Stefan Hahn aber nicht sprechen. Die tatsächlichen Vollkosten lägen "in Höhe der erhaltenen 6,6 Millionen Euro".

Neuss gewinnt, da das Land NRW doppelt für die Flüchtlinge zahlt, die in der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) leben. In den Genuss dieses Vorteils kommen alle NRW-Städte und Gemeinden, die Standort einer Landeseinrichtung zur Flüchtlingsaufnahme sind. Dazu sollen auch die Erstaufnahme-Notunterkünfte in Dormagen und Grevenbroich zählen.

Aktuell leben 2700 Flüchtlinge in Neuss. Dennoch wird die Stadt für die Unterbringung und Versorgung dieser Menschen bis Ende des Jahres nicht einen Euro aus ihrer Stadtkasse entnehmen müssen. Das bestätigte auf Anfrage Stefan Hahn.

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Der Beigeordnete, der im Rathaus die Flüchtlingshilfe koordiniert, weist Vorhaltungen zurück, Neuss "verdiene" mit den Flüchtlingen Geld. Im Vergleich zu anderen Kommunen sieht der Beigeordnete allerdings Neuss "deutlich im Vorteil". Die Stadt werde jetzt dafür belohnt, dass sie bereits frühzeitig im Jahr 2012 "pro aktiv" das leerstehende ehemalige Krankenhaus der Alexianer-Brüder an der Nordkanalallee dem Land NRW angeboten habe. Das suchte damals angesichts des immer größer werdenden Zustroms händeringend geeignete Gebäudekomplexe für die Einrichtung einer ZUE. Wenn die Stadt nun einen Vorteil erhalte, der damals nicht abzusehen gewesen sei, dann müsse er heute kein schlechtes Gewissen haben: "Die anderen Kommunen profitieren davon, dass wir in Neuss eine so große Landeseinrichtung freiwillig übernommen haben."

In diesen Tenor stimmt auch ein Sprecher des NRW-Innenministeriums ein. Kommunen, die sich frühzeitig engagiert hätten, würden nun einwenig belohnt: "Das haben wir auch immer so kommuniziert." Die 2015 erfolgte pauschale Zahlung helfe den Kommunen, weil sie schnell und unbürokratisch das Geld an die Empfänger weiterleite. Nach dem Übergangsjahr 2016 werde spätestens ab 2017 eine Pro-Kopf-Abrechnung für zugewiesene Flüchtlinge erfolgen. Die rot-grüne Koalition im Landtag bereitet eine Regelung gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden vor.

Warum steht Neuss so gut da? Von den 2700 Flüchtlingen, die im Stadtgebiet leben, sind knapp 2000 in den ZUE-Standorten im "Alex" und an der Aurinstraße untergebracht, die vom Land NRW unterhalten und bezahlt werden. Diese Flüchtlinge werden dort im ersten Schritt registriert und medizinisch untersucht und anschließend innerhalb weniger Wochen den Kommunen im Land dauerhaft zugewiesen. Alle ZUE-Plätze werden zudem auf das Flüchtlingskontingent angerechnet, das die Stadt Neuss nach einem landesweiten Schlüssel aufnehmen muss. Derzeit 2714. Darum leben in der Stadt derzeit nur relativ wenige "eigene Neusser Flüchtlinge". Nämlich 700. Da jedoch das Land NRW seine Pauschalbezuschussung nach dem Schlüssel überweist und die ZUE-Flüchtlinge nicht mehr herausrechnet, profitiert Neuss finanziell in einem erheblichen Ausmaß.

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Für 2016 erwartet Stefan Hahn keinen neuen Sondereffekt auf dem Flüchtlingskonto: "Wenn er dennoch eintritt, dann freuen wir uns eben noch einmal."

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