Neuss "Pension Schöller" : Schräg und bieder

Neuss · Regisseurin Sahar Amini hat am RLT die 1890 geschriebene Komödie "Pension Schöller" inszeniert, dabei aber nicht zu einer durchgängigen Haltung gefunden. Sie spielt das Stück in einer komprimierten Fassung von Jürgen Wölffer.

 Ziemlich schräg kommen die Bewohner der "Pension Schöller" im RLT daher und verwirren mit ihren Macken jeden "normalen" Gast.

Ziemlich schräg kommen die Bewohner der "Pension Schöller" im RLT daher und verwirren mit ihren Macken jeden "normalen" Gast.

Foto: Björn Hickmann

Das Stück stammt aus einer Zeit, als die Komödie noch gerne Lustspiel genannt wurde. Als solches haben Carl Laufs und Wilhelm Jacoby ihre "Pension Schöller" im Jahr 1890 geschrieben, als solches setzte das rasante Verwirrspiel nach seiner Erstaufführung in Berlin zu einem Siegeszug auf deutschen Boulevardbühnen und im Film an. Es ist ja auch zu schön anzusehen, wie jemand sich in seinen eigenen Voruteilen verstrickt, wie er überführt und auch auch ein bisschen bloßgestellt wird.

Philipp Klapproth ist ein wohlhabender Pensionär vom Land, der bei dem Besuch seines Neffen in der großen Stadt so richtig was erleben will, um daheim etwas erzählen zu können. "Richtig" Verrückte möchte er erleben, eine Nervenheilanstalt besuchen. Neffe Alfred soll es möglich machen, und der verfällt auf die Idee, dem Onkel einen Gesellschaftsabend der skurrilen Bewohner der Pension Schöller als Soirée von Irren zu präsentieren. Klingt heute schräg, wenn nicht sogar befremdlich, ist aber immer noch ein Spiegel für die Wahrnehmung einer Gesellschaft von sich selbst. Man muss ihr nur das Antiquierte austreiben.

So ist auch Regisseurin Sahar Amini die Inszenierung der Komödie für das RLT angegangen. Sie hat sicher gut daran getan, nicht die recht ausufernde Originalfassung, sondern eine komprimierte von Jürgen Wölffer von 1997 zugrunde zu legen. Ebenso liefert Musiker Henning Beckmann perfekt passende Elemente, die das Geschehen ins Alptraumhafte heben. Und trotzdem: Die Inszenierung schwankt unentschieden zwischen grenzenloser Überzeichnung und biederer Klamotte. Was sich auch im Bühnenbild und in den Kostümen von Julia Rösler spiegelt.

In einem Fall allerdings ist es da zu einer wunderbaren Symbiose gekommen. Schöllers Neffe Eugen, der für die Schauspielerei brennt, aber leider das L nicht aussprechen kann und immer nur ein N herausbekommt, wird bei Pablo Guaneme Pinilla zum Sinnbild für einen Menschen, dessen Leidenschaft rührt und zugleich gnadenlos lächerlich wirkt. Man will ihn für seine Bedingungslosigkeit bewundern und muss dennoch über ihn lachen. Auch Georg Strohbach als trocken wirkender Tierbändiger und Weltreisender Bernhardy untermauert die These, dass jeder guten Komödie die Tragödie innewohnt. Dass diese ins Heitere kippt, sollte deren Erkenntniswert nicht schmälern.

Eine ähnliche Ambivalenz wünscht man sich bei der Möchte-gern-Schriftstellerin und selbsternannten Menschenkennerin Josephine Zillertal. Aber Linda Riebau muss sie als völlig überkandidelte Type spielen. Oberstleutnant von Mühlen (Johann Schiefer) ist eine Knallcharge; Pensionsbesitzer Schöller (Rainer Scharenberg) haftet ein arg antiquierter Charme an; Philipp Klapproths Schwester Ida (Doris Drexl) ist die Karikatur einer Vorstadt-Hausfrau. Ein Mehr an schrägem Charakter hätte dagegen Neffe Alfred Klapproth gutgetan. Michael Großschädl ist da schlichtweg unterfordert. Schöllers Tochter Franziska bei Sigrid Dispert darf immerhin Verschmitztheit wie eine Haltung zeigen.

Und Philipp Klapproth? Der vermeintlich Normale, der am Schluss fast durchdreht? Andreas Spaniol schwankt zwischen der Aufregung eines HB-Männchens und der Biederkeit eines Pensionärs, trägt als Stadtbesucher Trachtenjanker und auf dem Land Dittsche-Bademantel. Nicht die schlechteste Antwort auf die Leit-Frage der Inszenierung: "Wer sagt, was normal ist und was nicht?"

(NGZ)
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