NGZ-Gespräch mit Milena Karabaic, Kulturdezernentin des Landschaftsverbandes Rheinland Taler, Taler ... Rheinisches Erbe bewahren helfen

NGZ-Gespräch mit Milena Karabaic, Kulturdezernentin des Landschaftsverbandes Rheinland · Zwischen Idylle und Industrie, Schützenfest und Karneval: Das Rheinland ist eine Region der Kontraste. Gerade sie machen für Milena Karabaic den besonderen Reiz der Region aus. Die 51-Jährige ist Kulturdezernentin des Landschaftsverbandes Rheinland in Köln. Seit 1976 verleiht der "LVR" den Rheinlandtaler für Verdienste um die rheinische Kulturpflege. Frau Karabaic, an was denken Sie, wenn Sie den Begriff "Rheinland" hören?

 Milena Karabaic ist seit Februar 2006 Kulturdezernentin des Landschaftsverbandes Rheinland. Zuvor war sie Direktorin des Rheinischen Industriemuseums.

Milena Karabaic ist seit Februar 2006 Kulturdezernentin des Landschaftsverbandes Rheinland. Zuvor war sie Direktorin des Rheinischen Industriemuseums.

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Zwischen Idylle und Industrie, Schützenfest und Karneval: Das Rheinland ist
eine Region der Kontraste. Gerade sie machen für Milena Karabaic den besonderen Reiz der Region aus. Die 51-Jährige ist Kulturdezernentin des Landschaftsverbandes Rheinland in Köln. Seit 1976 verleiht der "LVR" den Rheinlandtaler für Verdienste um die rheinische Kulturpflege.

Frau Karabaic, an was denken Sie, wenn Sie den Begriff "Rheinland" hören?

 Milena Karabaic zur Situation der Stiftung Dyck: „Wir zweifeln die Bedeutung von Schloss Dyck nicht an, aber man muss das Ganze auf eine sichere Basis stellen.“

Milena Karabaic zur Situation der Stiftung Dyck: „Wir zweifeln die Bedeutung von Schloss Dyck nicht an, aber man muss das Ganze auf eine sichere Basis stellen.“

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Milena Karabaic Ich denke dabei in erster Linie an den namensgebenden Strom und die unterschiedlichsten Aspekte, die die rheinische Kultur hervorgebracht hat: Fangen wir bei dem prominentesten Rheinländer - dem Neandertaler - an, und hören wir bei der Industriekultur auf. Dann haben Sie das ganze Spektrum in einem Satz.

 Ein Medusenhaupt ziert die Vorderseite des Rheinlandtalers.

Ein Medusenhaupt ziert die Vorderseite des Rheinlandtalers.

Foto: NGZ

Wo verorten Sie den Landschaftsverband? Sitzt der obendrüber und guckt zu?

Karabaic Gucken wäre zu wenig. Es gibt eine gesetzliche Grundlage, die Landschaftsverbandsordnung, in der festgelegt ist, dass sich der Landschaftsverband um überregionale Aufgaben kümmern soll, das heißt, landschaftliche Kulturpflege betreibt.

Darin verbergen sich zwei Aspekte: Zum einen der, eigene Einrichtungen zu betreiben, ich nenne als Beispiele neben den Museen das Medienzentrum und das Amt für Rheinische Landeskunde. Darüber hinaus übernehmen wir Aufgaben wie die Denkmalpflege. Zum anderen geht es uns darum zu fördern und zu unterstützen. Wir zeichnen wissenschaftliches Engagement aus, aber auch ehrenamtlichen Einsatz. Und damit wären wir beim Rheinlandtaler ...

... den der Landschaftsverband seit 30 Jahren "für Verdienste um die rheinische Identität" verleiht. Was macht für Sie rheinische Identität aus? Etwa Klüngel, Kirche, Karneval?

Karabaic (lacht) Das sind schöne Stichworte, an denen sich das zunächst einmal festmachen lassen kann. Das Rheinland ist ja ein Konstrukt, darüber muss man sich im Klaren sein. Und Konstrukte ergeben sich aus unterschiedlichen Faktoren: Das können historische sein, das können aber auch kulturelle sein und nicht zuletzt auch administrative. Insofern überschneiden sich unterschiedliche Ebenen, auf denen man, wenn Sie so wollen, vielleicht auch mal Kirche oder Klüngel oder Karneval ausmachen kann.

Was gab 1976 den Ausschlag, den Rheinlandtaler ins Leben zu rufen?

Karabaic Zu würdigen, dass es neben den Professionellen auch sehr viele Ehrenamtler gibt, die sich auf unterschiedlichste Weise um kulturelles Erbe kümmern. Ob Landschaftspflege oder Denkmalschutz: beides kann man auch als Privatmensch.Die Mithilfe von Menschen, die nicht durch ihren Beruf oder ihre Aufgabe gezwungen sind, sich mit bestimmten Themen zu befassen, ist einfach wichtig geworden.

Wie werden Sie auf die Kandidaten aufmerksam, die den Rheinlandtaler erhalten könnten?

Karabaic Es gibt ein ganz formelles Vorschlagsrecht. Alle Damen und Herren unserer Landschaftsversammlung können Personen vorschlagen. Darüber hinaus können natürlich auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund ihrer Beziehungen, die sie in der Region haben, bestimmte Personen vorschlagen.

Wie oft wird der Rheinlandtaler im Jahr verliehen?

Karabaic Je nach Beschlussfassung der Kommission verleihen wir mindestens 27 und maximal 30 Rheinlandtaler im Jahr, jeweils vor Ort. Traditionell ehren wir auch einmal im Jahr in der Abtei Brauweiler ausschließlich ausländische Rheinlandtalerträger.

Wissen Sie, wie viele Menschen bisher diese Ehrung bekommen haben?

Karabaic Ja, es waren exakt 984, davon kamen 37 aus dem Rhein-Kreis Neuss.

Auch Loki Schmidt, die Frau von Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt, gehört in die Riege der Geehrten. Warum? Die "Welt" schrieb einmal: "Hamburgischer als Loki Schmidt kann eine Frau eigentlich nicht sein."

Karabaic Es handelte sich um ein ganz spezifisches Engagement in Bezug auf Landschaftspflege. Genau ging es um Narzissenfelder bei Blankenheim.

Welche Bedeutung hat der Rheinlandtaler über das Rheinland hinaus?

Karabaic In erster Linie ist es schon eine regionale Auszeichnung. Darüber hinaus ehren wir aber auch Personen im benachbarten Ausland. Manche unserer Aufgaben sind grenzüberschreitend. Für uns ist es sehr wichtig, dass nicht nur die kommunale Familie, sondern auch die Partner jenseits der Grenze mit uns zusammenarbeiten.

Welche Auszeichnungen vergibt der Landschaftsverband noch?

Karabaic Einmal das Paul-Clemen-Stipendium, das sich speziell wissenschaftlichen Arbeiten im Bereich der Kunstgeschichte widmet. Und dann das Albert-Steger-Stipendium. Das ist etwas weiter gefasst und geht an Wissenschaftler, die aus dem geisteswissenschaftlichen und aus dem naturwissenschaftlichen Bereich kommen sollen.

Außerhalb der Kultur gibt es noch den Rheinischen Ehrenpreis für soziales Engagement, den wir jetzt ins Leben gerufen haben und der 2007 zum ersten Mal übergeben wird. Das Prädikat für Behindertenfreundlichkeit wiederum geht an Unternehmen, die über die Mindestquote hinaus Menschen mit Behinderung beschäftigen.

Seit wann sind Sie Kulturdezernentin des LVR, und welche Fäden laufen bei Ihnen zusammen?

Karabaic Ich bin seit Februar 2006 im Amt. Im Landschaftsverband bin ich aber durchaus keine Newcomerin. Ich habe zuletzt als Direktorin des Rheinischen Industriemuseums gearbeitet. Seit Februar habe ich nun das große Vergnügen, nicht nur der Kultur, sondern auch dem Umweltbereich vorzustehen. Und zu den Fäden, die hier zusammenlaufen: in erster Linie jene der elf eigenen Einrichtungen - davon fünf Museen.

Das andere ist die regionale Kulturförderung, sei es die Museumsförderung, die Archivförderung, sei es, über unser Medienzentrum die Verbindung zwischen Kultur und Schule herzustellen. Die jetzige Landesregierung hat diese kultur- und bildungspolitische Aufgabe besonders hervorgehoben. Dem können wir entsprechen. Wie sagt der Rheinländer? "Da simmer dabei!" Und zwar schon immer, das ist unsere ureigenste Aufgabe.

Um die Bedeutung der Landschaftsverbände gibt es gerade in jüngster Zeit immer wieder Diskussionen ...

Karabaic Es ist schlicht nicht möglich, jene Institute, die wir vorhalten, in irgendeiner anderen Trägerschaft zu führen. Und darin liegt für mich - und ich beschränke mich ausdrücklich auf die Kultur - eine Sinnhaftigkeit dieses Landschaftsverbandes. Es ist keine Kommune, keine Stadt in der Lage, diese Einrichtungen zu unterhalten und zu führen. Wir verstehen unsere übergeordnete Zuständigkeit ganz konkret als Arbeit für die Bürger.

Aus welcher Tradition heraus speist sich das Selbstverständnis ihrer Behörde?

Karabaic Aus der kommunalen Selbstverwaltung, die ja mit den Preußen etabliert wurde. Vorläufer des Landschaftsverbandes war in gewissem Sinne die preußische Provinzialverwaltung.

Welche Position besetzt der Rhein-Kreis Neuss im Orchester der rheinischen Kommunen?

Karabaic Es gibt eine schöne personelle Verbindung. Der Vorsitzende des Kulturausschusses der Landschaftsversammlung ist ja Landrat Dieter Patt. Insofern besteht eine enge Zusammenarbeit. Aber die Wertigkeit des Rhein-Kreises jetzt zu benennen, fiele mir doch ein bisschen schwer. Das hieße, ich müsste anderen sagen: Ihr nicht, aber dafür der Rhein-Kreis. Es gibt hier natürlich bestimmte Einrichtungen, an denen wir beteiligt sind.

Sie meinen die Stiftung Schloss Dyck, die ums finanzielle Überleben kämpft. Unter welchen Bedingungen ist der LVR bereit, die Stiftung weiterhin zu unterstützen?

Karabaic Schloss Dyck ist ein Ankerpunkt im Netzwerk der Gartenkultur, des "European Garden Heritage Network". Das Projekt ist uns sehr wichtig. Zudem ist Schloss Dyck nicht die einzige Stiftung, die zu kämpfen hat. Das liegt an der Stiftungskonstruktion und der Entwicklung auf dem Kapitalmarkt. Es ist nicht mehr möglich, mit den Erträgen die Einrichtungen aufrecht zu erhalten. Das ist das Problem.

Noch einmal: Wir zweifeln die Bedeutung von Schloss Dyck nicht an, aber man muss das Ganze auf eine sichere Basis stellen. Und das ist derzeit mit dieser Konstruktion der Stiftung nicht möglich. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass man das Kapital der Stiftung nicht angreifen darf. Denn aus diesem Kapital generieren sich die Erträge. In dem Moment, wo das geschieht, sind nicht die Zustifter gefragt, sondern die Stiftungsaufsicht, und die liegt beim Regierungspräsidenten.

Neben Dyck strahlen auch Hombroich und die Langen Foundation auf der Raketenstation über die Kreisgrenzen hinaus. Was verbinden Sie damit?

Karabaic Ich bin sehr gerne vor Ort. Gerade die Langen Foundation besticht durch einen unglaublichen architektonischen Auftritt. Und auch Hombroich ist immer attraktiver geworden.

Für die Raketenstation ist bereits ein weiterer Museumsbau angedacht. Und auch die Stadt Neuss plant, ihr Clemens-Sels-Museum zu erweitern. Was würden Sie der Stadt raten, die sich seit Jahren schwertut, diesen Anbau zu realisieren?

Karabaic Vom Grundsatz her muss man sich natürlich fragen, was ist die Kernaussage dieses Museums? Wen will ich erreichen? Für wen mache ich das und wie? Es muss in jedem Fall auch ein Marketingkonzept da sein, denn wir haben eine ganz intensive Museumslandschaft. Wir haben über 400 Museen in Nordrhein-Westfalen. Es kann ja nicht sein, dass wir uns auf Dauer selbst kannibalisieren.

Wenn ich ein neues Museum angehe oder die Erweiterung eines bestehenden Hauses, muss klar sein: Was ist mein Alleinstellungsmerkmal? Was zeichnet mich aus und was wird die Menschen animieren, dort hinzugehen? Oder gibt's nicht schon an anderen Orten Vergleichbares, und kann ich mich in dieser Konkurrenz, die ja nicht nur aus Museen besteht, behaupten? Was ist thematisch, pädagogisch und lokal der Punkt, der mich akzentuiert? Die Investition mag vielleicht noch mit Hilfe von Sponsoren gelingen, aber jenseits dessen ist die zentrale Frage: Wie schaffe ich es, die Betriebskosten zu decken?

Gibt der Landschaftsverband eigentlich bei solchen Projekten etwas dazu?

Karabaic Wir unterstützen mit der eben genannten Kulturförderung beispielsweise Konzeptentwicklungen, wir beraten auch, manchmal ist ja auch ein guter Rat Geld wert. Bei kleineren Museen finanzieren wir die Infrastruktur mit. Betriebskosten übernehmen wir zunächst einmal nur für die eigenen Häuser.

Wie beurteilen Sie das Bemühen der Rheinländer, ihre Kultur zu erhalten und zu pflegen?

Karabaic Das ist sehr ausgeprägt, und zwar in vielseitigen Facetten. Das Amt für Rheinische Landeskunde hat ein Buch herausgebracht über rheinische Bräuche im Jahreslauf, um nur ein Beispiel zu nennen.

Wagen wir einen Ausblick auf die Herausforderungen der Zukunft.

Karabaic Schwerpunkt ist sicherlich die Netzwerkbildung: Es wird künftig notwendig sein - auch vor dem Hintergrund der finanziellen Situation -, dass wir stärker miteinander kooperieren, und das betrifft nicht nur die Einrichtungen des Landschaftsverbandes. Man kann eben nicht alle Häuser gleichermaßen ausstatten, aber vielleicht gibt es eine Konstruktions- und Organisationsform, bei der jedes Haus in einem vertretbaren Maß existieren kann.

Was das bei uns zentrale Thema "Industriekultur" betrifft, gehen die Planungen dahin, um das Rheinische Industriemuseum (RIM) herum ein Netzwerk zu etablieren, so dass auch die Einrichtungen, die nicht in unserer Trägerschaft sind, zu einer qualifizierten Beziehung zum RIM gebracht werden: Synergieeffekte, Werbung, Veranstaltungen, Ausstellungen. Dass jeder alles bekommt, wird nicht mehr möglich sein.

Wo ist für Sie das Rheinland am schönsten?

Karabaic Der Blick vom Triangelturm in Köln-Deutz auf die Umgebung ist schon nicht schlecht. Man sieht das Siebengebirge und schaut fast bis nach Düsseldorf. Vom Alsumer Berg in Duisberg sehen Sie auf den Niederrhein, sehen noch Halden des Bergbaus, und zu Ihren Füßen brummt die Schwerindustrie. Diesen Kontrast finde ich auch sehr schön.

Info Am kommenden Montag wird der Rheinlandtaler im Kreishaus Neuss an Thomas Nickel, stellvertretender Bürgermeister der Stadt Neuss und Präsident des Neusser Bürger-Schützen-Vereins, verliehen. Geehrt wird auch der Neusser Karl-Heinz Radermacher, der sich als engagierter Naturschützer einen Namen gemacht hat.

(NGZ)
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