Radevormwald Auch Bauern beklagen Insektensterben

Radevormwald · Die Kreisbauernschaften im Rheinisch-Bergischen Kreis sowie in Oberberg sind alarmiert: Es gibt immer weniger Insekten. Deshalb fordern die Landwirte eine wissenschaftliche Studie, die die Auslöser dieses Problems identifizieren.

Die 76 ist derzeit die Horrorzahl von Naturschützern. Der Grund: Um durchschnittlich 76 Prozent ist die Masse von Insekten seit 1989 zurückgegangen, im Hochsommer bis zu 82 Prozent.

Diesen Befund hat ein Team von Wissenschaftlern um Caspar Hallmann von der Radboud University in Nijmegen in einer Studie in der Online-Fachzeitschrift "Plos One" veröffentlicht. Die Forschungsarbeit bestätigte die Befunde des Entomologischen Vereins Krefeld. Die Wissenschaftler werteten Daten aus, die die ehrenamtlichen Insektenkundler aus Krefeld seit 1989 gesammelt hatten.

Für die Messung stellten die Ehrenamtler des Entomologischen Vereins in den vergangenen 27 Jahren an 63 Orten in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Rheinland-Pfalz Fallen auf - 57 davon in NRW. Darin verfingen sich über die Jahre Millionen Fliegen, Käfer, Wespen und Bienen, die von den Forschern gewogen wurden.

Das Insektensterben rückt damit in den öffentlichen Fokus - auch im Bergischen Land. "Das Insektensterben geht uns alle an", sagt Peter Lautz, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Rheinisch-Bergischer Kreis. Die Landwirte in der Region wehren sich gegen vorschnelle Schuldzuweisungen. "Das ist nicht zielführend", sagt Lautz. "Es ist in Mode gekommen, für alles Unheil der Welt die Landwirtschaft verantwortlich zu machen. Die Schuld ist aber nicht allein bei den Landwirten zu suchen."

Nach wie vor fehle es an einer gründlichen Ursachen-Wirkung-Analyse zu den Auslösern dieser Entwicklung. "Die Studie erlaubt selbst nach Aussage der beteiligten Forscher keine Rückschlüsse auf klimatische oder landwirtschaftliche Faktoren als Auslöser für den Insektenrückgang", sagt der Kreisvorsitzende. Nun müsse es eine umfassende Ursachenforschung geben, die auch landwirtschaftliche Aspekte einschließt, sagt Lautz: "Wir brauchen ein Langzeit-Monitoring." Das schaffe die Grundlage für eine sachliche Diskussion über die Entwicklung der Insektenbestände in Deutschland.

"Die gesamte Gesellschaft muss sich die Frage stellen, wie jeder von uns mit seinem Konsumverhalten zu Veränderungen in der Natur beiträgt", sagt er. Dass auf das Insektensterben zahlreiche Faktoren einwirken, bestätigte im August bereits das Bundesumweltministerium in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen.

Insekten spielen mit der Bestäubung eine wichtige Rolle für die Sicherung landwirtschaftlicher Erträge sowie für den Erhalt von Wildpflanzen. "Landwirte haben ein großes Interesse an ausgewogenen Insektenbeständen, damit die Selbstregulation der Natur funktioniert. Nur so kann der Einsatz von chemischen oder biologischen Pflanzenschutzmitteln reduziert werden", sagt Lautz. Aus diesem Grund bietet die Stiftung Rheinische Kulturlandschaft zudem das mit Bundesmitteln geförderte Projekt "Summendes Rheinland" an. Dessen Ziel: ein erhöhtes Blütenangebot in Ackerbauregionen. Daneben gibt es zahlreiche Aktivitäten in der Modellregion Bergisches Land.

Auch Helmut Dresbach, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Oberberg, sieht Verbesserungsbedarf: "Vor 30 Jahren gab es bei weitem nicht so viele Autos wie heute. Für die Straßen musste wichtige Natur weichen." Etwa 80 Hektar in Deutschland werden täglich asphaltiert. "Dadurch geht Lebensraum für Insekten verloren", sagt Dresbach.

Deshalb seien auch die Kommunen gefragt: "Gräser, Büsche, Sträucher und Kräuter werden oft für viel Geld kurz geschnitten. Diese Mäharbeiten nehmen den Insekten ihren Lebensraum." Helmut Dresbach fordert eine wissenschaftliche Analyse zu den Auslösern des Insektensterbens: "Alle Beteiligten sind gefordert."

Zwar sei es richtig, dass im Ackerbau Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. "Allerdings nur, weil wir sonst nichts mehr verkaufen würden. Die Ansprüche der Verbraucher sind enorm gestiegen, schon wegen kleiner dunkler Stellen werden Produkte abgelehnt. Deshalb vertrauen wir auf seit vielen Jahren zugelassene Mittel. Sollten diese Mängel aufweisen, muss das offengelegt werden."

(mba)
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