Radevormwald Hausärztliche Versorgung bleibt unsicher

Radevormwald · Die Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) haben sich auf einen neuen Honorarabschluss verständigt. Den sehen Ärzte auch in Radevormwald jedoch skeptisch.

Mehr Geld war den niedergelassenen Ärzten in Deutschland zugesagt. KV und GKV haben sich geeinigt, dass die Vergütung um rund 800 Millionen Euro angehoben werden soll. Euphorie hat das bei Professor Dr. August-Wilhelm Bödecker nicht ausgelöst. Der KV-Vorsitzende in Oberberg: "Von dem Geld kommt bei den niedergelassenen Ärzten in Oberberg nichts an." Das Gleiche sagt der Hückeswagener Ärzte-Sprecher Dr. Stephan Lode: "Das Geld ist ja zielgebunden." So würden erst einmal sogenannte Vorwegabzüge bedient - Deals zwischen den Kassen und Krankenhäusern. Lode ist sich sicher: "An der Basis wird herzlich wenig ankommen."

Auch Dr. Ralph Krolewski, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Oberberg, kritisiert die Vereinbarung: "Sie ist nicht dazu geeignet, die hausärztliche Versorgung in Oberberg dauerhaft zu sichern." Dass medizinische Leistungen gemäß eines Punktesystems (s. Kasten) um 1,4 Prozent besser abgerechnet werden, hält Krolewski für nicht ausreichend: "Das fängt noch nicht mal die Teuerungsrate in den Praxen auf."

Die Kritik geht sogar weiter: "Deutsche Ärzte bekommen nicht das gleiche Geld für gleiche Arbeit." So erhalte ein Mediziner im Bezirk Nordrhein pro Patient und Quartal im Durchschnitt 46 Euro, in Bayern dagegen etwa um die 90 Euro und damit fast das Doppelte. Ungerecht sei auch, dass Hausärzte im ländlichen Oberberg durchschnittlich 1500 Patienten betreuen, während der Schnitt in ganz Nordrhein bei nur 800 Patienten liege. Bödecker: "Das Regelleistungsvolumen beschränkt sich jedoch auf maximal 1200 Patienten." Jeder weitere Patient, den ein oberbergischer Arzt behandele, sei betriebswirtschaftlich gesehen eine Nullnummer. Letztlich sei es so, dass man etwas auf die Nase bekomme, wenn man mehr Patienten behandele.

Da die Bevölkerung aber immer älter wird, nimmt auch die Anzahl der Behandlungen gerade älterer Patienten zu. Doch der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) regelt nach einem bestimmten Punktesystem, welche Leistungen die Ärzte bezahlt bekommen. Manche Leistungen werden hingegen pauschalisiert. Lode nennt ein Beispiel: Wenn er einem Patienten eine Spritze in die Schulter setzen müsse, sei das sehr schwierig und aufwendig. Doch mehr Geld gebe es dafür nicht.

"Wir bekommen weniger Geld für die gleiche Leistung", kritisiert der Allgemeinmediziner. Diese Regelung, 1992 vom damaligen Bundessozialminister Horst Seehofer eingeführt, sei ungerecht und in hohem Maße unethisch. Solche "Gummi-Punkte", wie Lode das Punktesystem nach der EBM nennt, gebe es nur bei den Ärzten.

Handwerker würden doch auch nach ihrem Stundensatz gezahlt. "Beim Reifenwechsel in der Werkstatt sagt ja auch niemand: Wenn heute noch mehr Kunden reinkommen, wird's billiger", sagt Lode. Die Einigung zwischen KV und GKV sieht vor, dass der Einsatz nichtärztlicher Praxisassistenten für Hausbesuche gefördert werden soll. Ein Plan, den Oberbergs KV-Vorsitzender Bödecker zwar grundsätzlich begrüßt. Nach momentaner Definition dürften Ärzte in Oberberg die Hausbesuche ihrer Praxisassistenten aber nicht abrechnen. Dies sei nur dort möglich, wo eine Mangelversorgung festgestellt worden ist.

Und Ralph Krolewski fürchtet, dass die Honorarvereinbarung nicht geeignet ist, dem drohenden Hausärztemangel im ländlichen Oberberg entgegenzuwirken: "Schon jetzt gehen lediglich zehn Prozent des ärztlichen Nachwuchses in den hausärztlichen Bereich. Der Großteil zieht eine Karriere als Facharzt vor."

(RP)
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