Radevormwald Luther und die Freikirchen - ein spannender Prozess

Radevormwald · In welchem Zusammenhang stehen die Freikirchen mit der Reformationslehre Martin Luthers? Gibt es Zusammenhänge, Trennendes, Vereinendes? Diesen Fragen versuchte der ehemalige Rektor der Theologischen Hochschule Ewersbach, Michael Schröder, im Gemeindehaus der Freien evangelischen Gemeinde Grafweg vor 50 Interessierten auf den Grund zu gehen.

Schröder, Dozent für Neues Testament, Theologe und Kirchenhistoriker, brachte eine Vielzahl an Infos und Hintergründen zur Sprache, die eines deutlich machten: "Im Zentrum aller evangelischen Kirchen, sowohl der Freikirchen als auch der von Luther und Calvin geprägten Strömungen, steht das Evangelium. Bei allem, was uns trennt - das eint uns!" Ein trennendes Element sei die Historie der Freikirchen. "Die allermeisten der zahlreichen freikirchlichen Strömungen wurzeln im 19. Jahrhundert. Nur die Mennoniten-Bewegung hat einen direkten zeitlichen Bezug zur Reformation. Ihre Wurzeln reichen bis zur Hochzeit der Reformation in die 20er-Jahre des 16. Jahrhunderts zurück", sagte er. Daraus erkläre sich, dass die Freikirchen der Reformation eher inhaltlich verbunden seien. Als Beispiel erzählte Schröder eine Geschichte des Baptistenpastors Michael King aus Atlanta in den USA: "King bereiste 1934 die Wirkungsstätten Luthers in Deutschland, fuhr nach Eisenach und Wittenberg." Danach sei King so nachhaltig beeindruckt von der Persönlichkeit Luthers gewesen, dass er seinen und den Vornamen seines Sohns änderte: "Von Michael in Martin Luther." Dennoch gebe es Unterschiede: "Die Freikirchen kamen ursprünglich aus dem Ausland, vor allem aus England und den USA", sagte er. Daher seien sie in ihren Anfängen in Deutschland von der lutherischen Kirche oft als "undeutsch" oder "yankeemäßig" bezeichnet worden. In der Folge seien auch Maßnahmen gegen Freikirchen ergriffen worden. Das reichte von Zwangstaufen der Kinder, damit sie im Kirchenregister aufgenommen werden konnten. War dies nicht der Fall, existierten die Kinder nicht. Auch bei der Trauung wurde den Eheleuten der Eintrag ins Register verwehrt. "Das kam einer wilden Ehe gleich, damals ein Straftatbestand", betonte Schröder. Und auch noch im Tod traf die Freikirchler der Bannstrahl der lutherischen Kirche: "Man konnte den Menschen ein ordentliches Begräbnis in geweihter Erde verweigern", sagte er. Auch von Seiten der Freikirchen gab es Kritik an der Landeskirche. "Man warf der lutherisch-calvinistischen Lehre vor, die Reformation unvollständig belassen zu haben. Die Heilung sei vernachlässigt und die Rechtfertigungslehre überbetont worden", sagte Schröder. So habe der methodistische Prediger John Wesley die Heiligung, also das Tun der Menschen, als "ein Stück Himmel auf Erden" bezeichnet.

Aus dieser Gemengelage habe sich der Konflikt zwischen Freikirchen und lutherischen Kirchen ergeben, der erst in jüngerer Zeit beigelegt worden sei. Mittlerweile gebe es eine große Wertschätzung Luthers. "Praktisch alle Bibelübersetzungen beruhen auf Luther. Auch die Lieder von Luther und Paul Gerhardt, einem glühenden Lutheraner, sind in den Liederbüchern der Freikirchen aufgenommen worden." Daher werde es zwar wohl nie eine einzige evangelische Kirche geben. "Aber wir gehen aufeinander zu. Und wir gehen den Weg des Evangeliums gemeinsam", sagte Schröder zum Abschluss seines Vortrags und lud zum Gespräch.

(wow)
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