Radevormwald Mehr Wohnungslose brauchen Hilfe

Radevormwald · Die Fachberatungsstelle für Wohnungsnot im Oberbergischen Kreis hat den Geschäftsbericht 2013 vorgelegt - Fazit: Immer mehr Frauen sind von Wohnungslosigkeit betroffen. Ein Grund dafür ist der problematische Wohnungsmarkt.

 Mirjam Thomaßen kümmert sich um die Wohnungslosen in Hückeswagen und Radevormwald. Unterstützt wird sie von Winfried Fenner.

Mirjam Thomaßen kümmert sich um die Wohnungslosen in Hückeswagen und Radevormwald. Unterstützt wird sie von Winfried Fenner.

Foto: Jürgen moll

Den klassischen Wohnungslosen als Bettler auf einer Decke oder auf Pappkartons unter der Brücke gibt es in Rade und Hückeswagen nicht. "Das Bild des Wohnungslosen hier ist anders", sagt Sozialarbeiterin Mirjam Thomaßen von der Fachberatungsstelle Wohnungsnot. Wohnungslose würden meist versteckt leben mit einem sehr hohen Potenzial an Scham. Wohnungslosigkeit sei selten offensichtlich. Viele Betroffene suchen Hilfe in der Familie. Deshalb sei die Dunkelziffer auch sehr hoch.

Alarmierende Zahlen stehen im Geschäftsbericht der Fachberatungsstelle: Demnach nutzten im vergangenen Jahr 700 Hilfesuchende das Angebot der Fachstelle - ein Plus von 6,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und die höchste Zahl seit Bestehen der Fachberatung. "Einer der Gründe könnte der problematische Wohnungsmarkt sein, der zunehmend alleinstehende Bürger mit Sozialleistungen ausschließt", heißt es in dem Bericht.

Besonders auffällig: Der Anteil der Frauen unter den Wohnungslosen steigt. 2013 waren es 37,3 Prozent, zwei Prozent mehr als 2012 und 5,4 Prozent mehr als 2009. Bei der Altersstruktur fällt auf, dass der Anteil der unter 30-Jährigen steigt (38,1 Prozent), ebenso der Anteil der über 60-Jährigen (7,9 Prozent, plus 1,2 Prozent).

"Wohnungslosigkeit ist in Rade und Hückeswagen auf jeden Fall ein Thema, wir verzeichnen einen großen Zulauf an Hilfesuchenden gerade in unseren Außenstellen", sagt Mirjam Thomaßen. Sie ermöglicht den Betroffenen in der Fachberatungsstelle im Caritashaus einen Tagesaufenthalt, eine Dusche, die Nutzung der Waschmaschine und eine Beratung. "Wir versuchen, dezentral zu helfen, denn Wohnungslose sind nicht mobil", sagt sie.

Oft dient die Beratungsstelle als erste Postadresse für Betroffene, denn um an finanzielle Unterstützung durchs Jobcenter zu kommen, braucht es eine feste Adresse. Kreisweit wurden im vergangenen Jahr 178 Postadressen angelegt, ein Plus von 10,6 Prozent. "Die Existenz der Menschen muss gesichert sein als Basis aller weiteren Hilfen", sagt sie.

Die Fachberaterin hilft bei der Wohnungssuche, vermittelt niederschwellige Essensangebote und ist viel unterwegs. Gerade zu Beginn der warmen Jahreszeit wächst die Gefahr, dass Wohnungslose eine Nacht unter freiem Himmel verbringen und sich einen einsamen Schlafplatz suchen. "Wer in einer so prekären Lebenssituation ist, zeigt das nicht nach außen", sagt Mirjam Thomaßen.

Hauptgründe für Wohnungslosigkeit sind Schulden, Arbeitsplatzverlust und Suchtprobleme. Mirjam Thomaßen wünscht sich, dass sich von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen früher melden. "Wir wollen Wohnungslosigkeit verhindern und zeitnah Lösungen finden", sagt sie. Der Beraterin ist es wichtig, eine Beziehung aufzubauen und zu halten, denn für die Betroffenen sei die Situation meist sehr belastend. "Wir müssen ehrlich und transparent mit den Betroffenen umgehen", sagt sie. Denn der soziale Druck sei hoch. Ihr Wunsch: Es muss mehr Wohnungsraum für Singles geschaffen werden. In Rade gebe es noch einige große Anbieter, in Hückeswagen dagegen kaum.

Trotz schwieriger Bedingungen gelang es den Beratern, 2013 kreisweit mehr Betroffene in Wohnungen zu vermitteln - plus 37,2 Prozent. "Der Aufwand ist riesig, der Ertrag gering", sagt Sozialarbeiter Winfried Fenner. Er könnte sich vorstellen, dass mehr Vermieter mit der Fachberatungsstelle kooperieren, um an Wohnraum zu gelangen. Obdachlosigkeit werde niemals ganz aus der Gesellschaft verschwinden.

(RP)
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