Hösel In winziger Mansarde dem Holocaust entronnen

Hösel · Die Geschichte über das jüdische Ehepaar Berg hat Erinnerungen geweckt. Ein Versteck rettete dem Ehepaar damals das Leben. Jetzt wurde ein weiteres Versteck in Hösel bekannt.

 In diesem Häusertrakt in Hösel an der Eggerscheidter Straße wurde zeitweilig Familie Berg versteckt.

In diesem Häusertrakt in Hösel an der Eggerscheidter Straße wurde zeitweilig Familie Berg versteckt.

Foto: Blazy Achim

Der Artikel in der Rheinischen Post am 11. Februar hatte interessante Resonanz. Er handelte vom jüdischen Ehepaar Berg, das in Hösel von Else Rouge vor dem mörderischen Regime versteckt worden war. Es meldete sich Lolo Derigs aus Leichlingen, deren Eltern von 1956 bis 1973 nicht weit vom Café Müller (dem Versteck der Bergs) am Eickelscheidt ein Haus besessen hatten. Als sie Ende der 70er Jahre ihre alte Heimat besuchte und am früheren Elternhaus vorbeifuhr, traf sie dort den neuen Besitzer. Der wiederum konnte ihr berichten, dass während des Krieges genau in diesem Haus ein jüdischer Bürger namens Mendelsohn in einer winzigen Mansarde verborgen worden sei und sich später den Ort noch einmal angesehen habe.

Dieser Mann wiederum ist Bastian Fleermann aus einer wissenschaftlichen Arbeit bekannt. Als nämlich nach dem Krieg die Entnazifizierung lief, fand sich ein Mendelsohn-Brief in den Akten des ehemaligen Bürgermeisters des Amtes Ratingen-Land (später Angerland), Heinrich Hinsen, in dem er wohlwollend beschrieben wurde.

 Die Akte von Yad Vashem über Frau Rouge.

Die Akte von Yad Vashem über Frau Rouge.

Foto: Blazy Achim

Hinsen war katholisch und eigentlich ein Zentrums-Mann. Dennoch trat er der NSDAP bei. Er legte sich jedoch immer wieder mit der Partei an, weigerte sich zum Beispiel, judenfeindliche Schilder am Ortseingang aufzustellen und Mitbürger zu denunzieren. Er wurde allerdings von einem Höseler aufs Übelste angeschwärzt. Und ausgerechnet er wurde von den Alliierten im Sommer 1945 beurlaubt und bald pensioniert. Hinsen starb 1956.

Die Post aus Israel offenbart auch, dass der Ehemann von Else Rouge den Antrag gestellt hatte, seine Frau mit dem Titel "Gerechte unter den Völkern" auszuzeichnen. Das war im Jahr 1976. Zwei Jahre später wurde ihr nach eingehender Prüfung die Ehrung zuteil, die sie in Israel hätte entgegennehmen können. Wie ihre Tochter Heidi jetzt berichtet, habe sie allerdings diese Reise nicht mehr auf sich nehmen können. Für die Ehrung war unter anderem die Stellungnahme von Hedwig Berg entscheidend, die sie für Yad Vashem verfasst hat und die einen ungeheuerlichen Leidensweg des christlich-jüdischen Ehepaars belegt. Ihr Immobiliengeschäft in Essen war 1938 nach der Pogromnacht geschlossen worden. Zunächst verbargen sich die Eheleute in ihrer Wohnung, dann flüchtete Arthur Berg nach Köln, wo er vorübergehend bei einem Bekannten unterkam. In einem nahezu unzugänglichen Keller in Essen war das nächste Versteck, bis sich eine Familie in Mülheim-Heissen fand, die die beiden verbargen.

 Vermutlich in diesem Haus an der Straße Eickelscheidt wurde ein jüdischer Bürger namens Mendelsohn während des Dritten Reichs in einer winzigen Mansarde versteckt.

Vermutlich in diesem Haus an der Straße Eickelscheidt wurde ein jüdischer Bürger namens Mendelsohn während des Dritten Reichs in einer winzigen Mansarde versteckt.

Foto: Achim Blazy

Es gab hier und da eine Unterkunft, unter anderem auch in einem Raum der Schuhmacherei Kessel auf der Eggerscheidter Straße in Hösel. Das konnte nicht von langer Dauer sein - man kehrte noch einmal nach Essen zurück. Inzwischen wurde aber auch Hedwig Berg von der Gestapo gesucht, war sie doch zum jüdischen Glauben konvertiert. Es ging zurück nach Hösel, und zwar in den Wald. Dort trafen die Flüchtenden auf Else Berg, die sie aufnahm. Zunächst wusste sie nicht, dass die Bergs Juden waren. Als sie es dann wusste, blieb sie sich treu und versteckte die beiden.

"Wir legten unser Schicksal in ihre Hände. Frau Rouge war im Betrieb ihrer Mutter, in einer Gaststätte, beschäftigt und gab dort Mittag- wie Abendessen aus. Die Gäste waren in der Hauptsache Gestapo-Leute, Nazis und hohe Militärs. ... Das ständige Wachsein, dass nichts falsch gemacht und nichts unüberlegt gesagt wurde, was ihre eigene Familie ins Unglück hätte stürzen können, haben Frau Rouge seelisch und nervlich sehr zugesetzt", schreibt Hedwig Berg in ihrer Stellungnahme.

Als sie das tut, ist sie bereits 75 Jahre alt und Witwe. Sie und ihr Mann sind auf dem nicht zugänglichen jüdischen Teil des Essener Friedhofs Segeroth bestattet.

(gaha)
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