Rhein-Kreis Neuss Fördergruppen vor dem Aus?

Rhein-Kreis Neuss · Ein möglicher Verzicht auf Fördergruppen und Seiteneinsteigerklassen, in denen Flüchtlingskinder intensiv Deutsch lernen sollen, sorgt für Aufregung. Die Bezirksregierung beschwichtigt: Es gebe keine Änderung zur bisherigen Situation.

 Deutsch-Lehrerin Petra Menn (l.) kümmert sich, unterstützt von Kolleginnen, um die jugendlichen Flüchtlingskinder am BvA-Gymnasium.

Deutsch-Lehrerin Petra Menn (l.) kümmert sich, unterstützt von Kolleginnen, um die jugendlichen Flüchtlingskinder am BvA-Gymnasium.

Foto: G. Salzburg

Kinder, die nach langer Flucht aus Kriegs- und Krisengebieten in neuer Heimat angekommen sind und - ohne jegliche Deutsch-Kenntnisse - am Regelunterricht einer weiterführenden Schule teilnehmen sollen: Dieses Szenario schreckt Schulen, aber vor allem Politiker auf. Ein Erlass aus dem Schulministerium im Sommer soll angeblich das bisherige System mit Seiteneinsteigerklassen auf den Kopf stellen. In Neuss sagte CDU-Parteivorsitzender Jörg Geerlings: "Diese Politik auf Kosten der Schulqualität, der Lehrer und der Chancen für alle beschulten Kinder ist nicht tragbar. Dies ist das Produkt einer ideologischen Politik, die vollkommen an der Realität vorbei geht. Für uns gilt klar: Alle Schüler müssen individuell gefördert werden." Die dortige SPD entgegnete scharf und verwies auf die "Faktenlage": Die unmittelbare Teilnahme am vollständigen Regelunterricht sei nur eine der durch den (neuen) Erlass eröffnete Option. Das bestätigt auch die Bezirksregierung auf Anfrage unserer Redaktion.

Im Rhein-Kreis Neuss gibt es in allen Kommunen und vielen Schulen diese Seiteneinsteiger- beziehungsweise Fördergruppen für Flüchtlingskinder, in denen es um den Erwerb der deutschen Sprache geht. Alleine in Neuss an sechs, in Grevenbroich an fünf, in Dormagen an vier weiterführenden Schulen. An den Grundschulen ist die Situation anders, dort werden diese Kinder sofort in die Regelklassen integriert und darin gefördert. Dieses System gibt es - noch, wie Schulrätin Karin Roth-Junkermann sagt. "Wir können im Moment noch in diesen Gruppen in der Sekundarstufe fördern." Aber offenbar rechnen die Schulbeamten vor Ort damit, dass das Land doch zunehmend die direkte Integration in eine Regelklasse wünscht, ohne über den "Umweg" der Seiteneinsteigerklassen. "Dazu gibt es aber noch keine Konzepte", sagt die Schulrätin. Die Bezirksregierung sagt: "Eine Schule muss keine Seiteneinsteiger-Klassen einrichten, sie kann die Kinder beziehungsweise Jugendlichen auch auf einzelne Regelklassen verteilen", so die Sprecherin. "Ab einer gewissen Anzahl an zu beschulenden Kindern lohnt es sich, erst eine eigene Seiteneinsteigerklasse zu bilden."

Vor Ort wird die Situation gelassen gesehen. Zum Beispiel am Neusser Quirinus-Gymnasium. "Man muss abwarten, was passiert", sagt Schulleiter Ulrich Dauben, der jedoch nicht mit einer Abschaffung der Sprachklassen rechnet, die es am Quirinus-Gymnasium bereits seit rund 20 Jahren gibt. Dort erhalten die Jugendlichen zunächst Deutsch-Grundkenntnisse, um später in Regelklassen integriert zu werden. Die Schüler, die sich in der ersten Förder-Phase befinden, haben rund 30 Stunden Unterricht pro Woche, nehmen teilweise jedoch bereits an Fächern wie Sport und Kunst teil. Auch nach der Integration in die Stammklassen erhalten sie Deutschunterricht. "Wir sind mit dem System sehr zufrieden", sagt Dauben, der auf die Schulabschlussquote von 98 Prozent bei den Flüchtlingskindern hinweist.

(schum)
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