Solingen Die Ratten der Lüfte sanft bekämpfen

Solingen · Die Stadt möchte der Taubenpage am Haltepunkt Mitte durch ein Taubenhaus am Gleisdreieck Herr werden. Auf dem Dach der Clemens-Galerien steht bereits ein solches Haus. Betreut wird es von den Profis der Firma Nachtigall.

Jeden Morgen kommt die alte Dame auf die Piazza der Clemens-Galerien und füttert die verwilderten Stadttauben. Niemand hindert sie daran, obwohl das Füttern der Vögel verboten ist. Es sei denn, es wird gezielt unternommen, so wie von Thomas Nachtigall. Der füttert die Tiere seit gut drei Monaten auf dem Dach des Einkaufszentrums, und er hat für sie außerdem ein Haus aufgestellt, in dem sie ihre Nester bauen können. Wenn die Tauben sich dort bald so heimisch fühlen, dass sie Nester bauen und Eier legen, kommt die Stunde des Schädlingsbekämpfers. Thomas Nachtigall tauscht dann die Taubeneier gegen Attrappen aus Gips aus. So hoffen die Geschäftsleute in den Clemens-Galerien, die Taubenplage in den Griff zu bekommen. Gemeinsam haben sie das Solinger Unternehmen für Hygienetechnik und Schädlingsbekämpfung beauftragt. Auch die Stadt erwägt den Bau eines Taubenhauses am Gleisdreieck.

Kein Zweifel, Tauben sind die Ratten der Lüfte, weiß Thomas Nachtigall. "Ihr Kot ist sehr ätzend und greift alles an, sogar Glasflächen. Ihre Nester bauen die Vögel aus Futter und Exkrementen, es gibt keine Brutstätte, die nicht von Zecken und Milben befallen ist", sagt der erfahrene Schädlingsbekämpfer, der das 1981 gegründete Unternehmen 1998 von seinem Vater übernommen hat. Selbst in Baulücken, die längst zugemauert wurden, finden die Schädlingsbekämpfer nach Jahren noch Zecken und Milben, die Tauben dort einst hinterlassen haben.

Das Taubenhaus ist im Ursprung ein Gartenschuppen aus dem Baumarkt, wie Thomas Nachtigall erklärt. Drinnen sind Regale aufgestellt, beklebt mit robusten Teppichbodenstücken, auf die Futter gestreut wird. Alle drei Tage kommt Thomas Nachtigall oder ein Mitarbeiter, um neues Futter auszulegen. An den Kotspuren zwischen der Körnermischung sieht der Schädlingsbekämpfer, dass die Tauben das Haus schon angenommen haben. Demnächst will er mit Kartons für Nisthöhlen sorgen und die Tauben zum Nestbau anregen.

Tauben brüten ganzjährig, bei einer Lebenserwartung von circa 15 Jahren kann man die Zahl der Nachkommen hochrechnen. Ein bis zwei Eier legen die Tiere, die werden im Taubenhaus dann durch Gipseier ersetzt. "Das kann man immer wieder machen, die Tauben denken, das Ei hat nicht überlebt und legen neu", sagt Thomas Nachtigall, der sich selbst als "Förster der Zivilisation" bezeichnet, indem er dort für Gleichgewicht sorgt, wo die natürlichen Feinde fehlen.

Mit dem Austauschen der Eier alleine ist es nicht getan. In den Clemens-Galerien werden an allen bevorzugten Plätzen der Tauben Spikes angebracht. Eine preiswerte Lösung, wie der Schädlingsbekämpfer weiß. "Aktionen, bei denen Tauben getötet werden, hat es in Solingen lange nicht mehr gegeben", sagt Thomas Nachtigall. Er weiß, wie schwer dafür in der Bevölkerung Akzeptanz zu erreichen ist. Die Taube gelte ja nicht umsonst als ein Symbol des Friedens. Und oberflächlich betrachtet sehen die verwilderten Stadttauben ja auch ganz proper aus.

(RP)
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