Solingen Explosive Stimmung im Kulturausschuss

Solingen · Festakt zum 8. Mai 1945: Jörg Becker fühlt sich übergangen. OB Feith sieht Vorwürfe als Frechheit an.

Betretene Gesichter, große Augen, entgeisterte Blickwechsel - anschließend war eine Pause in der Sitzung des Kulturausschusses am Donnerstag im Kunstmuseum nötig: Vorsitzender Professor Dr. Jörg Becker (Die Linke) und Oberbürgermeister Norbert Feith (CDU) hatten sich skandalträchtig verbal in der Wolle. Becker fühlt sich vom Stadtvater hintergangen und getäuscht, Feith empfindet Beckers Vorwürfe als reine Frechheit. Die sichtlich aufgebrachten Kontrahenten (Becker: "Ich habe schon darüber nachgedacht, den Vorsitz des Ausschusses niederzulegen.") hatten zudem ein höchst delikates Thema als Zankapfel: die Gedenkveranstaltung zum 8. Mai 1945, also zum Kriegsende und Untergang der Nazidiktatur. "An dieser Veranstaltung werde ich nicht teilnehmen", kündigt Becker an.

Der Ursprung geht auf die erste Sitzung des Kulturausschusses nach der Kommunalwahl im vergangenen Jahr zurück. Becker hatte dort als neuer Vorsitzender seine Wunschthemen vorgestellt, die er in seiner Amtszeit gerne angehen möchte. Dazu gehört eine Gedenkveranstaltung als städtischer Festakt unter dem Titel "70 Jahre Befreiung vom Faschismus". Die Veranstaltung soll zusammen mit der niederländischen Partnerstadt Gouda geplant werden. Es ginge darum, die Sichtweise eines kleinen, vom übermächtigen Nazideutschland überfallenen Landes auf das Kriegende in den Mittelpunkt zu stellen. "Am 15. Dezember hatten wir noch sehr konstruktive Gespräche zu diesem Thema", sagt Becker. Trotz wiederholter Nachfrage sei der Gesprächsfaden abgerissen. Aus allen Wolken fiel Becker, als am 11. März eine Pressemitteilung der Stadt herausgegeben wurde, die die Veranstaltung am 9. Mai ankündigt. "Wozu braucht man einen Ausschuss, wenn das Programm schon fertig ist?" Natürlich könne die Verwaltung eine solche Veranstaltung planen, aber es sollten doch nicht die zuständigen politischen Gremien umgangen werden - zumal, wenn Ideen aus deren Reihen kommen.

Als Redner war der niederländische Professor Cees Hamelink vorgesehen. "Jörg Becker hatte ihn eingeladen und eine Zusage bekommen, bevor wir überhaupt mit einer Planung begonnen hatten", erklärt Norbert Feith. "Wir haben trotzdem alles versucht, um Hamelink nach Solingen zu holen." Dieser habe aber nicht von sich aus abgesagt, so Becker, sondern sei "übel getäuscht" worden. Differenzen gab es in der Themenwahl und der Redezeit. Das, so der Oberbürgermeister, wäre alles zu regeln gewesen. Letztendlich scheiterte Hamelinks Besuch an der Uhrzeit. Eine Veranstaltung in Solingen um 11 Uhr könne er unmöglich erreichen, wenn er mit der Bahn aus Amsterdam anreise. Feith: "Wir haben versucht, alles möglich zu machen. Eine Gedenkveranstaltung samstags um 15 Uhr wird keine vernünftige Resonanz finden." "Wichtig ist, dass die Veranstaltung zusammen mit Gouda vorbereitet wird." Eine Ratsdelegation wird ins Nachbarland reisen, um Einzelheiten zu besprechen. Statt Hamelink wird der von ihm empfohlene Geschichtsprofessor Hermann von der Dunk sprechen. Ebenso der Bonner Professor Ludger Kühnhardt. Von letzterem, so Becker, sei "ein interessantes, aber kein innovatives Referat zu erwarten".

Anschließend kam besonders aus den Reihen der Grünen und der SPD die Mahnung, dass die beiden Streithähne sich doch als vernünftige und erwachsene Menschen verhalten mögen, die sich zu einem klärenden Gespräch zusammensetzen sollten. Die hier aufgebrochene Kluft zwischen Becker und Feith könne einen Riss in den Ausschuss bringen, der zukünftig einer vernünftigen Arbeit im Wege stünde. Oberbürgermeister und Vorsitzender signalisierten, dass sie den Kontakt aufnehmen werden.

(RP)
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