Viersen Alltagsgegenstände in Kunst verwandelt

Viersen · NEW-Geschäftsführer Frank Kindervatter ist stolz über diese 13. Ausgabe der Art04, der Plattform für junge Künstler. Peter Müller nutzt die Generatorenhalle, um bis 25. September seine Arbeiten zu zeigen

Die Generatorenhalle ist wieder einmal völlig verwandelt. Erfüllt und angefüllt von Plastiken des Bildhauers Peter Müller, der eine Bandbreite seines Schaffens aus den vergangenen drei Jahren zeigt, die er - aus Platzmangel - in dieser Form noch nie präsentieren konnte. Buntes steht neben dezent Holzfarbenem, ausladende Arbeiten neben kleinen, Fragiles neben Massivem.

"Suchen, sammeln, sichten" - so benannte die Kunsthistorikerin Isgard Kracht in ihrer Einführungsrede ein künstlerisches Anfangs-Prinzip des Bildhauers. "Suchen, sammeln, sichten" führt bei Müller auch dazu, dass Alltägliches in seiner Kunst Platz findet: zerlegte Bambusjalousien, ein Biedermeierbild vom Flohmarkt und - das wird die jüngeren Besucher besonders freuen - die Brio-Holzeisenbahn seines Sohnes.

Aus den Schienen der Holzeisenbahn entwickelt Müller ein mehrstöckiges Gebilde aus verleimten Schienen, das auf hölzernen Stäben ruht. Die Schienen bewegen sich in ihren Rundungen und Windungen durch den Raum in die Tiefe und in die Höhe. "Neo" ist der Titel dieser Arbeit und verweist auf die Umdeutung des Materials in eine neue Realität.

Diese Neunutzung von Materialien verbindet "Neo" mit den übrigen Arbeiten und noch mehr: Die Objekte stehen da wie Zeichnungen im Raum, gehen verschlungene Wege, loten Grenzen des Möglichen aus und erobern den Raum. Sie bieten dem Betrachter die Möglichkeit, mit den Augen die Bewegungen der gebauten Linien nachzugehen, bieten ihm interessante Durchblicke und damit neue Erkenntnisse an.

Peter Müller biegt und beugt das schmale Holz bis an die Grenze des Möglichen, baut fragile Objekte, die stets zu kippen drohen - ohne es tatsächlich zu tun. Er verwendet Cortenstahl, den er luftig leicht erscheinen lässt. Er verwendet pulverbeschichtetes Metall, das er biegt, als sei es Gummi.

Idiom - so lautet der Titel der Ausstellung. Idiom wird eine Redewendung aus zueinander nicht passenden Begriffen genannt, deren Bedeutung sich nicht aus der Bedeutung der einzelnen Begriffe erschließt. So ist das auch mit der Kunst: die Briobahn, die Jalousie, die Farbe, die Form - die Bedeutung der Werke von Müller geht über die Bedeutung ihrer Einzelteile hinaus. Eindeutigkeit in der Bedeutung vermeidet Müller - die eigene Bedeutung zu entschlüsseln, überlässt er dem Betrachter. Müller ist einer der Künstler, die ihren Arbeiten erzählende Titel geben. Das ist neben dem visuell Erlebbaren eine weitere Komponente, um Bedeutung zu generieren. So heißen die Arbeiten "Beziehungsgeflecht", "Loop" oder "Kunsttrophäe". Letztere mag ein humorvoller Verweis auf den Kunstmarkt sein: Hirschgeweihe hängen in Müller'scher verschlungener Manier hoch oben an der Wand. Dort, wo der Jäger in der Regel die Trophäen seiner Schießkunst präsentiert. Müller karikiert die Bedeutung von Trophäe. Ist das Kunstwerk, das über meinem Sofa daheim hängt, auch eine Art Trophäe? Oder ist eine Ausstellung in der Generatorenhalle für einen Künstler eine Art Trophäe?

(b-r)
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