Schwalmtal Dr. Scharf sucht einen Nachfolger

Schwalmtal · Auf dem Land werden in den kommenden Jahren Ärzte fehlen. Viele Mediziner finden niemanden, der ihre Praxis übernehmen will

 Hausarzt Peter Scharf wird im April 62 Jahre alt. Gern würde er seine Praxis an einen Nachfolger übergeben. Doch bislang hat er keinen gefunden.

Hausarzt Peter Scharf wird im April 62 Jahre alt. Gern würde er seine Praxis an einen Nachfolger übergeben. Doch bislang hat er keinen gefunden.

Foto: Ronge

Wenn man ihn fragt, ob er noch einmal als Hausarzt aufs Land gehen würde, dann sagt Peter Scharf: "Ich würde es immer wieder tun, ganz klar." 1994 kam der Mediziner nach Waldniel, stieg dort bei seiner Kollegin Mechthild Butz in die Praxis ein, die sie von den Eltern übernommen hatte. 2004 kam Kollegin Birgit Bornhofen hinzu, seither führen die drei gemeinsam die Praxis an der Dülkener Straße.

Während die beiden Ärztinnen, beide Mitte 50, noch ein bisschen Zeit bis zum Ruhestand haben, wird für Scharf die Zeit knapp. Er wird im April 62 Jahre alt. Als er die 60 überschritt, begann Scharf, sich Gedanken über einen Nachfolger zu machen. Seither sucht er - bei der Praxisbörse der Kassenärztlichen Vereinigung im Internet, mit Anzeigen, mit Aushängen. Auf eine Annonce im Ärzteblatt meldete sich kein einziger Bewerber, erzählt Scharf. Jetzt hat er in den umliegenden Krankenhäusern Zettel ausgehängt in der Hoffnung, dass sich jemand meldet.

So wie Scharf geht es vielen Medizinern auf dem Land. Die Konsequenz: In einigen Jahren werden im ländlichen Raum Ärzte fehlen. Die Sorge, dass Patienten dann schlechter versorgt sind, weitere Wege als bislang in Kauf nehmen müssen, treibt viele Kommunen um. Auch in Schwalmtal überlegen Politik und Verwaltung derzeit, was die Gemeinde tun kann, um das Landleben für Ärzte so attraktiv zu machen, dass sie herkommen wollen.

Dazu hatte die SPD-Fraktion im November des vergangenen Jahres einen Antrag gestellt. Die Verwaltung solle überlegen, wie man die Ärzte- und Gesundheitsversorgung in Schwalmtal sicherstellen könnte. Dazu forderte die SPD, alle an einen Tisch zu holen: die Nachbargemeinden, den Kreis Viersen, die Kassenärztliche Vereinigung, die in Schwalmtal niedergelassenen Ärzte und alle, die mit der medizinischen Versorgung beschäftigt sind, und die Politik. Schwalmtal verfüge über eine gute Ärzte- und Gesundheitsversorgung, betonte SPD-Fraktionschef Hermann-Josef Welters, selbst Mediziner: "Wir wollen, dass es dabei bleibt." Im Antrag der SPD führte Welters aus, dass viele Nachwuchsfachärzte nicht im niedergelassenen Bereich und nicht im ländlichen Raum arbeiten wollten: "Und selbst wenn sie grundsätzlich bereit sind, fehlt es oftmals an attraktiven Arbeitsplätzen für Ehepartner."

Der Antrag kam nun im Ausschuss für Demografie und Soziales auf den Tisch, und dort bestätigten Mediziner Welters' Einschätzung. "Medizin wird weiblich", erklärte Thomas Nieberding, Vorsitzender der Schwalmtaler Grünen und Internist am Nieren- und Diabeteszentrum in Viersen. Unter den Nachwuchsmedizinern seien immer mehr Frauen, und diese wollten Familie und Beruf unter einen Hut bringen. Die Gemeinde müsse "darauf Wert legen, für Familien attraktiv zu sein", so Nieberding. Scharf, als Zuschauer im Saal, durfte nach einer Unterbrechung der Sitzung sprechen. Sein Vorschlag: "Wir sollten uns sehr zügig zusammensetzen und überlegen, wie wir Teilzeitstellen organisieren." Viele junge Ärztinnen wollten nicht 50 Stunden pro Woche arbeiten. Die Orthopädin Carina Ferrari (62) berichtete, sie habe selbst drei Kinder - und die Praxis in Waldniel: "Aber das will heute keiner mehr machen." Sie legte auch dar, wie schwierig es für Ärzte geworden sei, bei Banken Kredite zu bekommen, um die Praxisausstattung finanzieren zu können. Auch das sei früher anders gewesen.

Der Ausschuss beauftragte die Verwaltung einstimmig, den Dialog mit den Nachbarkommunen fortzusetzen - auch mit Blick auf die Möglichkeiten, die sich vielleicht aus dem Förderprogramm "Vital NRW" ergeben könnten.

Dass das Land nicht attraktiv genug sei, glaubt Mediziner Scharf nicht. Waldniel verfüge über eine gute Infrastruktur, Schulen, eine gute Anbindung an die Großstädte, Naherholungsgebiete. Die jungen Ärzte müssten nur kommen, glaubt Scharf, und gucken: "Wir wussten ja auch nicht, wie schön es hier ist." Waldniel sei familiär, sagt er. Man kennt sich, das gefällt ihm: "Der Patient und seine Angehörigen stehen bei uns im Mittelpunkt."

Scharf stammt von der Mosel. Nach Stationen in Detmold, Hannover und Bad Salzig lernte er die Ärztin Mechthild Butz kennen, die ihm von der Praxis ihrer Eltern in Waldniel erzählte. "Als ich hierher kam, musste ich mich gegen Mitbewerber durchsetzen", erzählt er. Daran sei heute nicht mehr zu denken: Wer Hausarzt werden wolle, könne sich eine Praxis aussuchen.

Jetzt hofft Scharf, dass sich doch noch ein Nachfolger findet, der es auf dem Land wagen will. Dann könnte er das machen, wofür bislang wenig Zeit blieb: Rudern, Rad fahren, wandern, mit seiner Frau reisen. Und sich ehrenamtlich engagieren. Scharf: "Ich will nicht mit 63 auf der faulen Haut liegen."

(RP)
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