Wermelskirchen Auch Männer Opfer häuslicher Gewalt

Wermelskirchen · Im Rheinisch-Bergischen Kreis gibt es ein Frauenhaus, in NRW knapp 70, in Deutschland etwa 400. Häuser für männliche Opfer gewalttätiger Frauen gibt es nicht. Die Beratungsstellen in der Region sehen jedoch einen Bedarf.

 Nicht immer ist es der Mann, der zu Hause zuschlägt. Manchmal sind Eltern auch das Opfer.

Nicht immer ist es der Mann, der zu Hause zuschlägt. Manchmal sind Eltern auch das Opfer.

Foto: Weißer Ring

Beim Thema häusliche Gewalt entsteht meist schnell das dazugehörige Bild: Der Mann ist der Täter, die Frau das Opfer. Untersuchungen belegen diese Vorstellung mit Zahlen und machen sie greifbar - jährlich suchen etwa 40 000 Frauen Schutz in Frauenhäusern, etwa 400 gibt es davon in Deutschland. Einer gepeinigten Frau zu helfen und sie aus ihrem gewalttätigen Umfeld zu befreien, ist heute deutlich besser machbar als vor einigen Jahren.

Doch Männer werden ebenfalls Opfer von häuslicher Gewalt, sei es psychisch oder physisch, auch das belegen Studien. Renate Pfeiffer, Leiterin der Außenstelle für den Rheinisch-Bergischen Kreis der Organisation "Weißer Ring", die auch für Wermelskirchen zuständig ist, sieht Bedarf: "Das Schamgefühl, seine Partnerin anzuzeigen, weil sie einen schlägt, ist bei Männern meist groß", sagt sie. Beratungsstellen für die Bedürfnisse männlicher Hilfesuchender könnten dazu beitragen, dass die Hemmschwelle gesenkt wird und sich mehr Männer melden und helfen lassen, meint Pfeiffer.

Eine bundesweite Gesundheitsstudie von 2013 will herausgefunden haben: Männer üben Gewalt eher im Sozialraum und am Arbeitsplatz aus, Frauen dagegen im häuslichen Bereich. Demnach sollen Frauen häufiger als Männer Ausübende körperlicher Gewalt sein. Dass aber ein Mann tatsächlich von seiner Frau geschlagen oder gedemütigt wird, ist eine Vorstellung, die in der Gesellschaft bislang kaum möglich erscheint. "Es ist ein Tabuthema", sagt Susanne Krämer, Opferschutzbeauftragte bei der Kreispolizei. Es gelte als "unmännlich" und "peinlich", wenn ein Mann seine Frau "nicht im Griff" habe, meint sie.

Seit 17 Jahren ist Ruth Busch Beraterin im "Frauen-Zimmer" in Burscheid, das Frauen und Mädchen auch aus Wermelskirchen hilft, die von ihren Partnern geschlagen werden. "Noch nie" habe sich ein Mann an die Beratungsstelle gewandt. "Falls jemand kommt, würden wir ihm aber natürlich helfen", sagt Busch. Mehr als 120 Fälle von häuslicher Gewalt wurden der Kreispolizei in diesem Jahr bereits gemeldet. In weniger als zehn Prozent davon sollen Männer die Opfer sein.

Meist ist eine Suchterkrankung die Ursache für gewalttätiges Verhalten. "Zu uns kamen Männer, die von ihren Frauen im Rauschzustand mit Messern bedroht, gekratzt, getreten und geschlagen wurden", erzählt Krämer. "Da können Frauen genauso rücksichtslos sein wie Männer." Sie berichtet von einem gehbehinderten Mann, dessen Frau seinen Rollstuhl zur Seite zog, wenn er sich hineinsetzen wollte. "Frauen beherrschen eine subtile Form der Aggression."

Die meisten Frauenhäuser werden von Wohlfahrtsverbänden betreut und vom Staat finanziell unterstützt. Häuser für Männer, die nach dem gleichen Prinzip betrieben werden, gibt es nicht. Bundesweit betrachtet, tauchen lediglich zwei Einrichtungen auf, beide selbst finanziert: Die Männer-Wohnhilfe ist eine Initiative aus Oldenburg, die Wohnungen bereitstellt, und in Brandenburg gibt es das Gewaltschutzhaus. "Zu uns kommen Männer, die zu Hause richtig Stress haben", sagt Gründer Dietmar Gettner, "oder grün und blau geprügelt wurden".

Doch langsam tut sich etwas: "Einige Frauenhäuser erweitern ihr Angebot um separate Interventionsstellen, wo sie auch männliche Opfer beraten", berichtet Marianne Wüstefeld, Geschäftsführerin beim Dachverband der autonomen Frauenberatungsstellen. Renate Pfeiffer vom "Weißen Ring" kennt "zwei bis drei Frauen im Kreis", die immer mal wieder zuschlagen würden. Bislang seien die Männer jedoch jedes Mal zu ihnen zurückgekehrt.

(RP)
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