Wesel Die Zuhörer im Dom zu inneren Antworten herausgefordert

Wesel · "Klage und Hoffnung", dieses menschlich tief bewegende Passionsthema, wurde vom Städtischen Musikverein zusätzlich quasi quer aufgeladen mit der eher theoretisch leichthin zugespitzten Formel "Barock trifft Gegenwart". Die große Zuhörergemeinde am Sonntagabend im Willibrordi-Dom, längst geübt im Hören zeitgenössischer Kompositionen, konnte sehr gut mit jenem Konzept umgehen. Zum Schluss langer Applaus, von vielen Hörern stehend gespendet.

 Die Zuhörer erlebten ein außergewöhnliches Konzert.

Die Zuhörer erlebten ein außergewöhnliches Konzert.

Foto: Diana Roos

Der Bußpsalm 51, "Miserere mei, Deus", vertont vom böhmischen Barock-Komponisten Jan Dismas Zelenka, verzeichnet unter ZWV 57 in c-Moll, schritt zu Beginn bereits weitgehend den Raum menschlicher Reue angesichts des Todes aus. Dem flehenden "Miserere" folgte der lange Chorsatz eines Sündenbekenntnisses mit der Hoffnung auf Vergebung. Der sehr helle Solosopran der Dorothee Wohlgemuth schwang sich im "Gloria" auf. Das Rheinische Oratorienorchester, angeführt von seiner Konzertmeisterin Gabi Ziebell, begleitete unter dem Dirigat von Hans-Günther Bothe das gesamte musikalische Geschehen. Nach Zelenka schwebten aus der Urzeit des Alls leise, sich allmählich verdichtende hymnische Orchester-Klänge des estnischen Komponisten Arvo Pärt - die Bitte um Vergebung und Lob der Dreieinigkeit "Trisagion" - in den Raum, bis sie Hoffnung verheißend sanft in die Ewigkeit flogen. Diese Musik forderte zu inneren Antworten heraus, wie viele Hörer bekundeten.

Bachs Kantate "Du wahrer Gott und Davids Sohn", seine Bewerbung für das Kantorat der Leipziger Thomaskirche, zeigte schon den selbstbewussten architektonischen Bau des Meisters. Der gut vorbereitete Chor des Musikvereins und die Solisten - Sopranistin Wohlgemuth, Altistin Esther Borghorst, der besonders deutlich artikulierende Tenor Christian Dietz und der Bassist Harald Martini - wirkten gemeinsam an der feinen Textur.

Noch deutlicher wurde das in der Interpretation des von Thomas Blomenkamp vertonten Psalms 22, der Jesu Klage "mein Gott, warum hast du mich verlassen" vorwegnimmt. Diese vom Musikverein in Auftrag gegebene Komposition wurde uraufgeführt. Die oft spröde, sich dramatisch steigernde Musik der Jetztzeit griff die Hörer gleichsam von außen an, bevor sie in die große Lobpreisung mündete, in der sich die gut geführten Chor-Soprane leuchtend vom Orchester und dem Quartett der Solisten heraushoben.

Fazit: Der Chor hat fleißig an sich gearbeitet und damit an Profil gewonnen. Große Anerkennung wurde dem anwesenden Komponisten Blomenkamp und allen Mitwirkenden zuteil. Im Innersten vieler Hörer blieb Arvo Pärts kosmische Musik.

(RP)
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