Unsere Woche Von Lustreisen und Verlusten

Wesel · Mit der Effekthascherei ist das so eine Sache. Der eine beherrscht sie, der andere nicht. Obertürke Erdogan, auch wenn es keiner mehr hören will, ist perfekt in jener Kunst, außenpolitisch zu zündeln, um im eigenen Land die Reihen zu schließen. Das konnten übrigens schon die Cäsaren: Missstimmungen in Rom ließen sich bestens mit einem Konflikt im fernen Gallien oder in Judäa beseitigen. Kriegsbegeisterung und Opferbereitschaft steigen, während man selbst als Saubermann und Retter dasteht.

Unsere Woche: Von Lustreisen und Verlusten
Foto: Malz Ekkehart

Lokalpolitiker üben sich auch schon mal darin, unverhofft ein Thema loszutreten, indem sie Reizworte verwenden. Der Begriff Lustreise ist so eins. Ursprünglich unternahm man sie zum Vergnügen und das wurde auch so verstanden. Im Gegensatz eben zu einer Dienstreise oder einer wissenschaftlichen Expedition. Heute hat Lustreise einen in erster Linie negativen Beigeschmack. Vorteilsnahme, Korruption und Schlimmeres schwingen mit. Das hat damit zu tun, dass man für lau unterwegs ist, selbst also nichts oder wenig für eine Reise zahlt, deren Zweck nicht ganz einleuchtend ist.

Hat aber die Fraktion Wesel für Wesel (WfW) sich einen Gefallen damit getan, eine Fahrt von Ratsmitgliedern in die USA als Lustreise zu bezeichnen? Anlass ist das 65-jährige Bestehen der Partnerschaft Wesel-Hagerstown - eine der ältesten zwischen einer deutschen und einer US-amerikanischen Stadt überhaupt. WfW will nicht mitfahren, spricht von Kosten und hält dagegen, dass für Schulen, Straßen und Tagesmütter kein Geld da sei. Klingt stark, ist aber vollkommener Quatsch. Postwendend bekommt die WfW vor den Latz geknallt, dass ihre Existenz den Bürger jährlich 25.

000 Euro kostet, obwohl sie keiner gewählt hat. Zur bezugsberechtigten Fraktion wurde das WfW-Quartett ja durch Flucht aus der CDU. Das Eigentor wirkt doppelt schwer, weil die Pressemitteilung nicht nur bei der Presse, sondern zeitgleich auch bei politischen Gegnern ankam, die sofort zum Gegenschlag ausholten. Die Methode, Feuer anmachen und in Ruhe gucken, was passiert, ging schief. Kaum in der Welt, schon zerrupft. Womit wir wieder beim Anfang wären: Effekthascherei will gekonnt sein.

Wer sie nur um ihrer selbst willen betreibt, wird unglaubwürdig. Die nun 65-jährige Städtepartnerschaft wird die Episode locker überstehen. Gute Kontakte zu Freunden in den USA sind übrigens in Trump-Zeiten wichtiger denn je. Nicht alle Amis sind durchgedreht.

fritz.schubert@rheinische-post.de

(RP)
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