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Stadt Willich Willich wurde zur zweiten Heimat

Stadt Willich · Eine Ausstellung im Museum "Kamps Pitter" zeigt die Geschichte der Vertriebenen, die zwischen 1945 und 1960 aus den deutschen Ostprovinzen nach Willich, Anrath, Schiefbahn und Neersen kamen.

 Bei der Ausstellung über Vetriebene spielt ein Koffer eine besondere Rolle. Dieser ist weit gereist. Den Zeitzeugen dankten die Organisatoren für ihr Engagement und dem Zur-Verfügung-Stellen einzelner Exponate symbolisch mit einer Blume.

Bei der Ausstellung über Vetriebene spielt ein Koffer eine besondere Rolle. Dieser ist weit gereist. Den Zeitzeugen dankten die Organisatoren für ihr Engagement und dem Zur-Verfügung-Stellen einzelner Exponate symbolisch mit einer Blume.

Foto: Norbert Prümen

Ab 1944 mussten Millionen Menschen vor allem aus den ehemaligen deutschen Ostprovinzen ihre Heimat verlassen. Für sie begann ein Leidensweg durch das zerstörte Land. Unzählige starben, viele wurden in große Sammeltransporte gepfercht. Allein aus Schlesien kamen 1946 über tausend Menschen an den Bahnhöfen in Willich, Anrath, Schiefbahn und Neersen an. Einige Zeitzeugen erinnerten jetzt an diese Zeit, als im Schiefbahner Heimatmuseum "Kamps Pitter" eine bemerkenswerte und nachdenklich stimmende Ausstellung ("Reise ins Ungewisse") eröffnet wurde.

In etwa eineinhalbjähriger Arbeit hatten überwiegend Mitglieder der Heimat- und Geschichtsfreunde Willich und des Bürgervereins Anrath Daten und Fakten gesammelt und zusammengestellt. "Wir haben 169 Aktenordner bearbeitet und dabei 4723 Vertriebene und Flüchtlinge erfasst, die von 1945 bis 1960 in das Willicher Stadtgebiet gekommen sind", sagte Kurator Bernd-Dieter Röhrscheid. In rund 800-stündiger ehrenamtlicher Arbeit wurden die Datenbänke geordnet und digitalisiert. Unter anderem halfen Marlene Mathes und Udo Holzenthal vom Stadtarchiv, ferner Lukas Maaßen, Helmut Fellinger, Karl-Heinz Naus, Harald Brülls, Mechtild Zuschlag, Isa Krah, Jürgen Meyer, Herbert Gehlen, Franz-Josef Jansen und Werner Genings. Und der IT-Experte Dirk Görres sorgte mit dafür, dass man bei dieser Ausstellung an zwei Bildschirmen die wesentlichen Daten aus den vielen Akten abfragen kann. Sogar ein Straßenverzeichnis aus Breslau ist darunter.

"Ohne das eigenständige städtische Archiv wäre dieses Projekt nicht möglich gewesen", sagte der 70-jährige Bernd-Dieter Röhrscheid, der 1955 mit seinen Eltern und Geschwistern aus Erkelenz nach Schiefbahn gekommen ist. Die Familie bezog einen Neubau direkt neben der Kulturhalle, in dem es früher eine Badeanstalt gab und in der Vertriebene aufgenommen wurden. Röhrscheid erinnerte sich: "Da wir anfangs noch kein warmes Wasser hatten, ging ich regelmäßig zum Baden in die Kulturhalle, ich wurde dann selbst für einen Flüchtling gehalten."

Es gibt es zahlreiche Zeitzeugen, deren Lebensgeschichte in insgesamt acht Filmen gezeigt werden. Ein Film war bei der Ausstellungseröffnung zu sehen. Dabei kam auch der heute 79-jährige Jürgen Stuppan zu Wort: "Viele sind auf dem Marsch erfroren, wir wollten uns nur vor der russischen Artillerie in Sicherheit bringen." Stuppan hatte das Glück, mit einem Flugzeug im Februar 1945 das ostpreußische Heiligenbeil in Richtung Westen verlassen zu können. Rudi Jürgen gelang im Januar 1945 aus einem Ort bei Osterode (Ostpreußen) in einem großen Treck die Flucht vor der Roten Armee. Aus Pommern, Schlesien, der Tschechoslowakei oder der DDR kamen unter anderem Doris Heinemann, Johanna Marx, Hannelore Machold und Ilse Gentsch nach Willich.

Es gibt sogar noch einen alten Fluchtkoffer, den der Schwiegervater von Werner Genings auf der Flucht von Stendal mitgeschleppt hatte - mit einer langen Unterhose, Trinkflasche und abgelatschten Schuhen darin. An den Stellwänden hingen unter anderem Flüchtlingsausweise, Fotos oder Mobiliar- und Lebensmittelzuteilungen. Eine Original-Tracht aus Ostpreußen war ausgestellt, ein geschnitzter Rübezahl aus dem Sudetenland, Bernstein und andere Gegenstände. Passend dazu hatte Helga Mücke gebacken - böhmische Marillenringe, Käsekuchen nach pommerscher Art oder eine Dresdner Eierschecke.

Bei der Digitalisierung halfen ferner Schülerpraktikanten des St.-Bernhard-Gymnasiums. Auch die Leiterinnen der beiden Schiefbahner Grundschulen, Cerstin Pelz und Martina Ebert, waren wie die Leiterin des Schiefbahner Gymnasiums, Margret Peters, unter den Gästen bei der Präsentation.

(wsc)
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