Düsseldorf Streit um Talsperren als Stromspeicher

Düsseldorf · Experten haben geprüft, welche Gewässer in NRW zur Energiegewinnung genutzt werden können. Neben dem Rursee kommen Aggertalsperre, Wuppertalsperre, Hennetalsperre und Biggesee in Betracht. Anwohner sind besorgt.

Die Ratte war tot, der Politiker der Grünen fand sie vor seiner Haustür — eine Drohung. Der Streit um die Zukunft des Rursees in der Eifel nimmt immer bizarrere Formen an. Der Energieversorger Trianel plant, an der Talsperre ein Pumpspeicherkraftwerk zu errichten. Ein unverzichtbares Projekt für die Energiewende? Oder der Sargnagel für den Tourismus in der Region? An dem Vorhaben scheiden sich die Geister.

Der See in der Eifel wäre auch nach Ansicht der rot-grünen Landesregierung gut geeignet, die Energiewende voranzubringen. Pumpspeicherkraftwerke könnte es aber auch in anderen Regionen geben. Das Land prüft derzeit gemeinsam mit den Wasserverbänden, wo zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden können. Eine Studie der Ingenieurgesellschaft HPI Hydroprojekt, die unserer Zeitung vorliegt, kommt zu dem Ergebnis, dass auch an vier anderen Standorten in NRW Pumpspeicherkraftwerke "technisch grundsätzlich machbar" wären. Gemeint sind die Aggertalsperre, die Wuppertalsperre, die Hennetalsperre und der Biggesee. Durch den Umbau seien dort "keine wesentlichen Einschränkungen durch bestehende Nutzungen" zu erwarten, heißt es in dem Gutachten.

Die Anwohner am Rursee sehen das anders. Sie befürchten, dass das Gewässer sich durch eine Umnutzung in einen trüben Industrie-See verwandeln könnte. Nach den Plänen von Trianel würde der Wasserstand des Sees bei jedem Pumpvorgang um bis zu zwei Meter schwanken. Die Bürgerinitiative "Rettet den Rursee" befürchtet, dass Wassersport nicht mehr möglich sein wird. Die starke Sogwirkung könnte lebensgefährlich sein.

Oliver Krischer, Bundestagsabgeordneter von den Grünen, hält den Einsatz der Pumpspeichertechnik für unverzichtbar. Bislang gibt es in Deutschland 30 Pumpspeicherkraftwerke, Experten schätzen, dass ein Potenzial für mehrere Hundert Anlagen vor allem in Mittelgebirgsregionen besteht. "Die Ängste der Anwohner sind irrational und unbegründet", sagt der Politiker. Diskussionen wie am Rursee seien indessen wohl an "jedem See zu erwarten, der touristisch genutzt" werde.

Die Aggertalsperre ist mit 16,3 Millionen Kubikmetern das kleinste der untersuchten Gewässer. Der See im Oberbergischen wird unter anderem für den Tauchsport genutzt, es gibt einen Hafen für Ruder- und Segelboote. Dort müsse ein Oberbecken bei der Ortschaft Hackenberg gebaut werden. Die Anlagenleistung wäre mit 58 Megawatt vergleichsweise bescheiden.

Die Wuppertalsperre bei Radevormwald ist mit 22,9 Millionen Kubikmetern etwas größer als die Aggertalsperre. Nachteil ist jedoch die Topografie, die nur eine Fallhöhe von 83,7 Metern ermöglicht. Entsprechend mager ist die berechnete Leitung von 55 Megawatt.

Rentabler wäre da schon ein Kraftwerksprojekt an der Hennetalsperre im Hochsauerlandkreis (37,7 Millionen Kubikmeter). Dort gibt es allerdings zwei große Badebereiche und einen Campingplatz mit Strand. Die Leistung des Kraftwerks ist mit 129 Megawatt berechnet.

Der Biggesee bei Olpe (144 Millionen Kubikmeter) stelle bislang eine gleichmäßige Wassermenge in der Ruhr sicher. Ein Kraftwerk an dem beliebten Naherholungsziel würde mit einem Doppelgenerator eine Leistung von 406 Megawatt bringen.

Lukrativster Standort für ein Pumpspeicherkraftwerk in NRW bleibt laut Studie indessen der Rursee in der Eifel (159 Millionen Kubikmeter). Dort wird die erforderliche Mindeststauhöhe an 99 Prozent der Einsatztage erreicht.

Henning Höne, umweltpolitischer Sprecher der Liberalen im Landtag, erklärte, er habe für die Proteste gegen die Kraftwerks-Pläne am Rursee Verständnis. "Die Region ist landschaftlich besonders schützenswert und in hohem Maße vom Tourismus abhängig", erklärte der FDP-Politiker. Irgendwo müsse man aber anfangen, die Energiewende auch mit der Pumpspeichertechnik voranzutreiben. "Das Sankt-Florians-Prinzip, bei der Umsetzung immer auf andere zu zeigen, kann dabei nicht funktionieren", sagt Höne.

Die rot-grüne Landesregierung hält den Bau von Pumpspeicherkraftwerken wirtschaftlich, klimapolitisch und ökologisch für sinnvoll. Die touristische Nutzung der Talsperren sei zu begrüßen, ist aber nicht der ursprüngliche Errichtungsgrund der Talsperren gewesen, sagte NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) bei einer Fragestunde im Landtag und meinte damit die Wasserversorgung. Nach seinen Erkenntnissen werde der Wassersport durch eine Umnutzung nur geringfügig beeinträchtigt.

(RP)
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