Pussy Riot wartet auf das Urteil "Die Wahrheit ist das Wichtigste für uns"

Düsseldorf · Die Liste der Unterstützer ist lang und namhaft: Red Hot Chili Peppers, Madonna, Sting und Genesis. Um nur einige der Schwergewichte der Unterhaltungsindustrie zu nennen, die "Pussy Riot" öffentlich Mut zugesprochen haben. Die russische Skandalband steht in Moskau vor Gericht, am Freitag wird mit Spannung das Urteil erwartet.

Wer steckt hinter "Pussy Riot"?
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Es war einer dieser kometenhaften Aufstiege, von dem jede aufstrebende Rockband träumt: Als die drei Russinnen von "Pussy Riot" den Altarbereich der Christus-Erlöser-Kathedrale in Moskau enterten und einen kurzen Auftritt zum Besten gaben, war ihnen die weltweite Aufmerksamkeit sicher. Das Problem: Die Skandal-Damen könnten von ihrem rasch erlangten Ruhm nicht viel haben.

"Pussy Riot" wurde daraufhin festgenommen, seit März sitzen die drei jungen Russinnen in Untersuchungshaft. Am heutigen Freitag wird das Urteil erwartet. Die Staatsanwaltschaft fordert für jede der drei jungen Frauen drei Jahre Haft.

Punkgebet und Rowdytum

Sowohl russische Regierung als auch orthodoxe Kirchenvertretern werteten den nur kurzen Auftritt samt "Punkgebet" am 21. Februar als Rowdytum aus religiösem Hass. Sie hatten gegen die Rückkehr von Wladimir Putin in den Kreml sowie die enge Verzahnung von Staat und Kirche in Russland protestiert.

Als vom Teufel besessene Punkerinnen schildert der Staatsanwalt die drei angeklagten Mitglieder. Selbst inszenieren sich die jungen Frauen im Moskauer Gerichtssaal als "drei Engel gegen Putin", die für ihre Ideale alles riskieren. "Die Wahrheit ist das Wichtigste für uns, mehr noch als die Freiheit", ließ Bandmitglied Nadeschda Tolokonnikowa ihre Verteidigerin vortragen. Ihr Vorbild ist die deutsche Punk-Ikone Nina Hagen, die wie viele andere Künstler den Frauen Mut macht.

Jung und kämpferisch: Die politischen Sängerinnen fallen nicht nur mit wütenden Punkliedern auf. Mit ihren klugen Augen wirken die Gegnerinnen des Kremlchefs Wladimir Putin wie brave Studentinnen.

Strickmasken als Markenzeichen

Das Punkgebet gegen Putin und den russisch-orthodoxen Patriarchen Kirill in der Moskauer Erlöserkathedrale im Februar ist nicht der erste Auftritt von Pussy Riot. Die Gruppe gründet sich aus Wut, als Putin sich im September 2011 im Alleingang für das Präsidentenamt in Stellung bringt. Emigration sei keine Alternative gewesen, sagt die selbstbewusste Nadeschda Tolokonnikowa. "Ich kann diesem Land jede Menge Nützliches in Kultur und Philosophie geben."

Fortan tauchen die Frauen mit bunten Strickmasken verkleidet in der Öffentlichkeit auf. Die Masken sollen dafür sorgen, dass nicht Gesichter von der Botschaft ablenken, mit den primitiven Texten wollen die Künstlerinnen provozieren. Während Zehntausende gegen Putin auf die Straße gehen, stürmen die Frauen im Januar 2012 den Roten Platz in Moskau. "Aufstand in Russland, Putin pisst sich in die Hose", rufen sie. Die derben Schimpfwörter sind ein wohlkalkulierter Bruch mit den Traditionen der männlich dominierten Gesellschaft.

"Wir haben unterschiedliche Ansichten, aber in einer Sache sind wir uns einig: Wir lehnen Autoritarismus und die Herrschaft von Wladimir Putin ab", sagt Bandmitglied Maria Aljochina stolz. Die begeisterte Dichterin und angehende Journalistin ist über den Umweltschutz zur Putin-Gegnerin geworden. Nun kämpft die 24-Jährige auch darum, dass sie bald wieder zu ihrem Sohn Filipp (5) zurückkehren darf, der bei den Großeltern auf seine Mutter wartet.

Wortführerin ist erst 22 Jahre

Die knapp 30-jährige Jekaterina Samuzewitsch ist hingegen in der radikalen Kunstszene keine Unbekannte - es gibt kaum eine Aktion der politischen Künstlergruppe Woina (Krieg) in Moskau, an der die ehemalige Programmiererin nicht teilnimmt. So schüttet sie aus Protest gegen ein Urteil gegen die Kunstfreiheit Tausende Kakerlaken in ein Gerichtsgebäude. "Als Kind war sie gehorsam, eine exzellente Studentin. Dann kam plötzlich dieser Wunsch zum Widerstand in ihr auf", erzählt Vater Stanislaw der Zeitung "Moskowskije Nowosti".

Wortführerin der Gruppe ist aber trotz ihrer erst 22 Jahre die jüngste Angeklagte, Nadeschda Tolokonnikowa. Auch wegen ihren aufgeweckten braunen Augen und dem hübschen Gesicht zieht die Mutter einer vierjährigen Tochter das größte Interesse auf sich. Seit Jahren mischt die Philosophiestudentin mit ihrem Ehemann Pjotr Wersilow in der radikalen Kunstszene mit.

Schon 2008 macht Tolokonnikowa von sich reden, als sie - gerade 18 Jahre und hochschwanger - gemeinsam mit anderen Woina-Aktivisten mit Gruppensex gegen den von Putin ausgewählten neuen Präsidenten Dmitri Medwedew demonstriert.

Mit solchen Aktionen will "Nadja Tolokno" das System provozieren, bis es sich selbst entlarvt. Während viele die innere Emigration vorziehen, protestiert sie öffentlichkeitswirksam gegen Bevormundung, Gängelungen und biedere Moral. Vor Gericht zeigt sie sich ungebrochen - einmal prangt auf ihrem T-Shirt eine geballte Faust.

(rpo/dpa/nbe/csi)
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