IS ermordet japanischen Journalisten Kenji Goto: Menschenfreund und Idealist

Tokio · Er hatte Japan und seine Familie verlassen, um in Syrien einen Kollegen freizubekommen. Doch Kenji Goto wurde selbst von der Terrormiliz IS gefangen. Tagelang bangte Japan um den Journalisten. Nun ist er tot - ermordet von IS-Kämpfern.

Islamischer staat (IS) ermordet Journalisten Kenji Goto
Foto: ap

Ob aus dem vom Tsunami verwüsteten Nordosten Japans oder aus dem konfliktgeschüttelten Sierra Leone: Kenji Goto wollte immer die Geschichte der Armen erzählen, der Kinder, der Verletzlichen. Am Ende aber war der 47-jährige Reporter selbst offenbar schutzlos den Fängen der radikalislamischen Terrormiliz Islamischer Staat ausgeliefert. Die Nachricht von seiner Ermordung stürzte seine Heimat Japan am Sonntag in Trauer und Schock.

Die Terrormiliz hat am Samstagabend ein Video veröffentlicht, das offenbar die Enthauptung des Journalisten zeigt. Die japanische Regierung hielt die Aufnahmen für echt. Japans Regierungschef Shinzo Abe, US-Präsident Barack Obama und die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens verurteilten die Hinrichtung.

Lässig und freundlich

In dem Video ist der 47-jährige Goto in orangefarbener Kleidung auf den Knien zu sehen. Ein maskierter, mit einem Messer bewaffneter Mann steht neben der Geisel und macht die japanische Regierung für den Tod des Journalisten verantwortlich. Der Maskierte wendet sich in dem Video direkt an Abe: Wegen dessen gewissenloser Entscheidung, "an einem aussichtslosen Krieg teilzunehmen, wird dieses Messer nicht nur Kenji töten, sondern weiter machen und Massaker anrichten, wo immer Deine Leute sind."

Der als freundlich und lässig geltende Mann mit dem Pferdeschwanz hatte in Syrien von den tragischen Schicksalen der Menschen im Bürgerkrieg berichten wollen. Er war ein erfahrener freier Journalist, der oft mit Filmemachern und japanischen Fernsehfilmern zusammenarbeitete. Manchmal schafften es seine Kommentare auch in die japanischen Mainstream-Medien. Aber er legte immer wert darauf, dass er kein Kriegsreporter sei.

"Ich will die Leute knuddeln"

"Ich will die Leute knuddeln, das ist die beste Art, meinen Ansatz zu beschreiben", sagte Goto einmal über seine Arbeit. "Wenn ich den Leuten nahe komme, kann ich mit ihnen reden. Ich kann ihre Sicht hören, ihren Schmerz und ihre Hoffnung."

So entstand der Name der Terrormiliz Islamischer Staat (IS)
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So durchkämmte Goto Flüchtlingslager und Waisenhäuser. Er erzählte Geschichten vom Leiden der Kinder, von Gewalt, Hunger und Alpträumen. 2005 erschien sein Buch über Jungen und Mädchen in Sierra Leone unter dem Titel "We want Peace, Not Diamonds" - Frieden statt Diamanten.

Sympathiebekundungen aus aller Welt

Man nahm ihm seinen Charme und seine Integrität ab, und so löste seine Gefangennahme durch den IS in Syrien eine Welle von Sympathiebekundungen und Unterstützung für seine Freilassung aus. Eine Facebook-Seite, die nach einem ersten IS-Video mit einer Todesdrohung gegen Goto Mitte Januar eingerichtet wurde, hatte sofort Zehntausende Likes.

Das sind die Verbündeten im Kampf gegen IS
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Nicht nur aus Japan, sondern auch aus vielen anderen Ländern wurden Bilder gepostet mit dem Spruch "Ich bin Kenji". Vor dem Büro des japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe demonstrierten Menschen mit Schildern, die den Slogan trugen. Eine Online-Petition drängte die japanische Regierung, mehr für seine Freilassung zu tun.
Tausenden unterschrieben.

Am Ende, so scheint es nach der Veröffentlichung des IS-Bekennervideos zum Mord an Goto, hat wohl alles nichts genützt. Auf den Straßen von Tokio hatten am Sonntag viele eine Sonderausgabe der Zeitung "Yomiuri" mit der traurigen Nachricht dabei. Der New Yorker Filmemacher Taku Nishimae, der auch die Facebook-Seite für Goto ins Leben gerufen hatte, schrieb: "Kenji lebt weiter - in unseren Herzen, in unserer täglichen Arbeit. Jedes Mal, wenn du mit den Menschen um dich lächelst, wirst du sicher an das breite Lächeln denken, das Kenji uns jedes Mal schenkte."

Zweite Geiselnahme seiner Karriere

Goto war schon vor seiner jüngsten Gefangennahme durch den IS im Oktober mindestens einmal in die Hände von Extremisten geraten. Damals hatte er sie aber überzeugen können, ihn freizulassen, weil er Reporter war. Im vergangenen Jahr kehrte er nach Angaben seiner Familie vor allem nach Syrien zurück, um seinen Kollegen Haruna Yukawa freizubekommen.

Sein Vater Shoichi Yukawa konnte bei der Nachricht von Gotos Ermordung die Tränen nicht zurückhalten. "Er war gütig, und er war mutig", sagte er Reportern. Gotos eigene Mutter, die 78-jährige Junko Ishido, fand in einer Idee ein wenig Trost: "Kenji hat uns zu einer Reise verlassen. Ich kann nur hoffen, dass wir Kenjis Mission fortführen und Kinder von Krieg und Armut bewahren können."

Zweite ermordete Geisel in sieben Tagen

Goto trat seine letzte Reise nach Syrien nur drei Wochen nach der Geburt seiner zweiten Tochter an. Vor seiner Abfahrt nahm er ein Video auf. "Was auch immer mir passiert", sagte er da mit direktem Blick in die Kamera, "ich werde die Menschen in Syrien immer lieben."

Der Journalist ist die zweite japanische Geisel binnen einer Woche, der von den Dschihadisten getötet wurde. Vor einigen Tagen verkündete der IS die Hinrichtung von Haruna Yukawa. Zuvor war ein Ultimatum an die japanische Regierung für eine Lösegeldzahlung ausgelaufen.

(ap)
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