Mehrheitlich Mädchen betroffen Kinderhandel nimmt weltweit zu

Von Larissa Hinz · Es ist ein wachsender Markt: der Handel mit Kindern. Die Opfer für Arbeit ausgebeutet, zu Sexarbeit gezwungen. Dann landen sie in Bordellen oder auf dem Babystrich. Nach UN-Angaben aus 132 Staaten sind weltweit rund 27 Prozent der entdeckten Opfer von Menschenhandel Kinder und Jugendliche - zwei Drittel davon Mädchen.

 Unicef hat die aktuellen Zahlen zum Handel mit Kindern vorgestellt.

Unicef hat die aktuellen Zahlen zum Handel mit Kindern vorgestellt.

Foto: dpa, Marc Tirl

Zwischen 2003 bis 2006 lag die Zahl noch bei 20 Prozent, zeigen Polizeiakten, die das Wiener UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung ausgewertet hat. Den Umsatz der kriminellen Menschenhändler schätzt die EU-Kommission auf 25 Milliarden Euro im Jahr. Die Zahl verdeutlicht, wie groß der Markt sein muss. Die Geschäftsleiterin Unicef Schweiz, Elsbeth Müller, vermutet, dass weltweit jeden Tag 3.000 Kinder Opfer von Menschenhändlern werden und wie Ware gegen viel Geld über die Grenzen verfrachtet werden.

Nach Recherchen von Kinderschutzorganisation ECPAT gibt es einige "Handelsrouten" der "Ware" Kind: Hunderttausende Minderjährige werden von Laos und Birma nach Thailand verkauft. Von dort aus schicken die Schlepper sie wiederum nach Südafrika. Weitere Händler verkaufen Kinder aus Südostasien nach Europa und in die USA. Nach Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) setzen sich die Verbrecher-Netzwerke aus professionellen Schleusern, Zuhältern, Prostituierten, Geldwäschern und Urkundenfälschern zusammen.

Kinderbordelle. Hinterhöfe oder versteckte Wohnungen. Auch in Deutschland landen die meisten Mädchen und jungen Frauen dort. 2011 hat das BKA 640 Opfer von sexueller Ausbeutung gefunden. Über die Hälfte davon war zwischen 18 und 21 Jahren alt. Zwölf Prozent hatten ein Alter von 14 bis 17 Jahren. 13 Opfer waren jünger als 14 Jahre. Fast alle Kinder und Jugendlichen waren weiblich. Jedes vierte Opfer stammt laut BKA aus Rumänien, dicht gefolgt von Deutschland und Bulgarien. Die meisten Tatverdächtigten seien Deutsche, gefolgt von Bulgaren, Rumänen und Türken.

Doch diese Zahlen sind nach den Worten des Unicef-Mitarbeiters Rudi Tarneden "nur die Spitze des Eisbergs". Schließlich seien dies nur Fälle, die angezeigt wurden. Anzeigen würden oft nicht erstattet, weil die Opfer große Angst hätten und den Behörden nicht vertrauten. So könne niemand die tatsächliche Zahl "seriös beziffern".

Die Anfänge von Kinderhandel und Prostitution verlaufen oft ähnlich: Nach den Recherchen von Unicef haben viele Minderjährige Missbrauch und Gewalt in der eigenen Familie erlebt. Auch Armut und Arbeitslosigkeit herrschen oft im Umfeld der Kinder. Vermeintliche Freunden nutzen sie aus, Mädchen und Jungen werden mit dem Versprechen des "großen Geldes" ins Ausland gelockt. Aber auch die Eltern selbst verkaufen ihre Kinder aus schierer materieller Not.

Das Geschäft mit Kindern ist nur schwer einzudämmen. Rechtliche Lücken in Osteuropa erschweren die Situation. Kindern fehlt oft schon die Geburtsurkunde - offiziell gibt es sie überhaupt nicht.

Aber auch in Deutschland sieht Unicef rechtliche Hürden beim Schutz. "Aufenthaltsrecht geht vor Opferschutz", beklagt Unicef. Denn unbegleitete ausländische Kindern werden von Beamten zunächst als illegal Eingereiste behandelt. Dass sie eventuell Opfer von Menschenhändlern sein könnten, stehe an zweiter Stelle. Sogar Sozialarbeiter erkennen manches Mal oft nicht, dass die Kinder Verbrechensopfer sind.

Schwierig ist die Lage etwa bei Flüchtlingskindern, die sich ohne Eltern in Deutschland aufhalten. Ein Grund: Die Aufgegriffenen schweigen oft aus Angst vor Rache oder Abschiebung, aus Scham oder weil sie schlicht kein Deutsch können.

Unicef und andere Verbände hoffen nun auf die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels bis April. Sie verlangen aber weitere Schritte, um den Opferschutz zu verbessern. Dazu gehört nicht zuletzt die Schulung von Richtern oder Polizisten, damit sie Opfer von Kinderhandel besser identifizieren können.

Hinweis: Fotos finden Sie in der KNA-Bild-Datenbank auf www.kna-bild.de oder direkt mit folgendem Link:
http://bilddb.kna-bild.de/marsKna/open.jsp?action=job&title=KNA&id=2668030

(KNA/felt)
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