Ist Feldgrau noch zeitgemäß? Deutsche Soldaten wollen neue Uniform

Berlin · Ist die schlichte graue Heeres-Montur für eine Freiwilligen-Armee noch zeitgemäß? Die Polizei stellt zurzeit bundesweit von Grün auf Dunkelblau und einen schickeren Schnitt um. Junge Absolventen der Bundeswehr-Uni wünschen sich eine schmucke Gala-Uniform. Das Thema sorgt für Diskussionen.

Soldaten wünschen sich neue Uniform
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Der auf Privatinitiative junger Leutnants bei einer Schneiderei in Lüneburg entstandene Prototyp erinnert an die Uniform der Lützower Jäger aus dem Befreiungskrieg gegen Napoleon 1813/14: Der lange, dunkle Rock hat rote Absätze und 16 goldene Knöpfe, die die 16 Bundesländer symbolisieren sollen.

Lange Schatten der NS-Zeit

Ob aber jemals ein deutscher Soldat diese Uniform tragen soll, dies entzweit zurzeit die Bundeswehr. Denn auch 66 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs wirft die NS-Zeit noch lange Schatten und macht eine vorurteilsfreie Diskussion darüber schwer, wie ein deutscher Soldat in der Demokratie bekleidet zu sein hat.

So ist die Uniform der Lützower Jäger eigentlich schwarz, weil dies damals die einzige Farbe war, mit der sich Alltagskleidung in eine einheitliche Uniform umfärben ließ. Die Initiatoren der Paradeuniform bezogen aber schnell ein tiefes Dunkelblau in ihre Überlegungen ein, nachdem Kritiker sofort Bezüge zur schwarzen SS-Uniform hergestellt hatten.

Als graue Mäuse verspottet

Als graue Mäuse waren bereits die ersten Soldaten der Bundeswehr wegen ihres Anzugs verspottet worden, selbst ein General sah in der gewollt schlichten Montur eher wie ein Chauffeur aus. 1955, zehn Jahre nach Kriegsende, war Bescheidenheit, ja Demut angesagt, nichts durfte mehr optisch an die Wehrmacht erinnern.

"Affenjäckchen" hieß im Soldatenjargon die damals eingeführte kurze graue Uniformjacke — oder auch spöttisch "Königin-Luise-Bluse", weil sie beim Hinsetzen bei den Männern im Brustbereich ausladende weibliche Formen annahm. Als Bundeskanzler Konrad Adenauer die ersten Generale in ihrer unscheinbaren Uniform sah, die auch keine Hosen mit breiten roten Generalsstreifen mehr tragen durften, sagte er enttäuscht: "Dat is schade. Ich fand die so schön."

Bei jungen Soldaten unbeliebt

Immer wieder versuchten Soldaten, die 1957 eingeführte Dienst- und Ausgehuniform in Grau fürs Heer und in Blaugrau für die Luftwaffe mit flotterem Schnitt und eleganterer Farbtönung zu variieren. Junge Soldaten tragen diese Uniform besonders ungern. Selbst bei repräsentativen Anlässen wie öffentlichen Appellen treten viele Einheiten heute lieber im tarngeflecken Feldanzug auf.

"Im europäischen und internationalen Vergleich stellen wir fest, dass unsere Dienstanzüge wenig attraktiv sind und oftmals sogar belächelt werden", sagt Leutnant Andreas Ruf, der mit Kameraden eine Interessengemeinschaft zur Einführung einer Repräsentationsuniform gebildet hat.

In der Bundeswehr kursiert die Anekdote von einem jungen Fähnrich, der zum Ball des spanischen Heeres nach Madrid eingeladen war. Da er sich seiner schlichten Uniform schämte, ergänzte er sie verbotenerweise durch auffälligere Schulterstücke, silberne Tressen und ein silberfarbenes Koppel. Auf der Tanzfläche traf er zu seinem Entsetzen einen deutschen Oberstleutnant und befürchtete ein gewaltiges Donnerwetter. Doch der Stabsoffizier trug ebenfalls eine Phantasieuniform — und dazu einen mächtigen Säbel.

Wunsch stößt auf Skepsis

Der Wunsch nach schmucker Uniform stößt allerdings auf Skepsis, vor allem bei der älteren Soldatengeneration: "Steckt das Geld erst mal in eine zweckmäßigere Kampfausrüstung, damit die Soldaten sich für Einsatz und Übungen nicht privat noch bessere Ausrüstung dazukaufen müssen", sagt zum Beispiel Oberstleutnant a.D. Hans-Joachim Oehler, der Geschäftsführer des Bundes Deutscher Fallschirmjäger.

Dem hält Ruf entgegen, dass Offiziere ihre Uniform selbst kaufen müssen, also dem Staat keine Kosten entstünden. Oehler bleibt skeptisch: "Überlegenheit auf dem Gefechtsfeld ist wichtiger als Überlegenheit auf dem Parkett. Davon sollte der Soldat sein Selbstbewusstsein und sein Ansehen beziehen, nicht vom Lackstiefel."

Skepsis bei Reservisten

"Ob wir mit einer schillernden Uniform erreichen, unser mausgraues Image aufzupolieren, nachdem die Politik das sechs Jahrzehnte versäumt hat, wage ich zu bezweifeln", meint pessimistisch Major der Reserve Wolfgang Wehrend, der NRW-Landesvorsitzende des Reservistenverbandes.

"Wenn überhaupt, wäre beim Wachbataillon an eine Paradeuniform zu denken, die jedoch in der Tradition der Bundeswehr gestaltet sein muss", sagt Bernd Kiesheyer, früher General bei der 7. Panzerdivision in Düsseldorf. "Bitte keine Paradeuniform à la Kaiserzeit oder Wehrmacht. Das ist nicht unsere Traditionslinie."

Lützower Jäger

Eine Anlehnung an die Lützower Jäger sei nicht zwingend, meint Ruf. Es gehe darum, einen breiten Diskurs über eine neue Uniform anzustoßen. "Das wäre schon sinnvoll. Dem grauen Rock würde niemand hinterhertrauern", meint der Hamburger Student Fabian Hesselschwerdt. Der Oberleutnant der Reserve hat gerade eine Wehrübung beim Aufklärungsbataillon 6 in Eutin absolviert.

"Mit einer Paradeuniform in den Farben der Lützow'schen Jäger wird der unverfängliche Schritt zurück an die Anfänge der Traditionsentwicklung in der Bundeswehr gewagt", stellt der Historiker Rüdiger von Dehn von der Bergischen Universität Wuppertal fest. "Mit einer neuen Paradeuniform im Lützow'schen Stil kann der Bundeswehr ein weiterer Schritt hin zu einer historischen und gesellschaftsfähigen Identität gelingen. Man kann sich wieder zeigen. Freilich setzt dies eine fortgesetzte historisch-politische Bildung von Soldaten und Zivilisten voraus."

"Entwicklung Dienst- und Ausgehbekleidung"

Die offizielle Bundeswehr behandelt das Thema mit Distanz: "Es gibt derzeit weder eine Initiative noch eine Überlegung des Verteidigungsministeriums, eine Paradeuniform einzuführen", erklärt ein Sprecher des Ministeriums, setzt aber hinzu, es befasse sich derzeit "eine Unterarbeitsgruppe ,Entwicklung Dienst- und Ausgehbekleidung' beim Logistikamt der Bundeswehr mit einer möglichen Reform des Dienstanzuges. Mit Ergebnissen kann im zweiten Quartal 2013 gerechnet werden."

Im parlamentarischen Raum herrscht ebenfalls Zurückhaltung vor. Vor allem wird hier zwischen dem optischen Erscheinungsbild der Teilstreitkräfte unterschieden. Der CDU-Verteidigungsexperte Peter Hardt ist mit dem Auftreten der Marinesoldaten zufrieden. Freilich ist er "der Meinung, dass die Waffenröcke von Heer und Luftwaffe einen moderneren Schnitt vertragen". Verwundert ist Hardt zudem immer wieder, wie viele Grautöne die Heeresuniformen aufweisen. "Das reicht von fast Weiß bis Dunkel-Anthrazit."

(RP)
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