Erzbischof Werner Thissen im Interview "Frauen sollen Diakon werden"

Interview · Hamburgs Erzbischof Werner Thissen ist überzeugt: Kirchenspaltung wird ganz überwunden. Im Gespräch mit unserer Redaktion vergleicht der gebürtige Klever Papst Franziskus mit Johannes XXIII.

 Erzbischof Werner Thissen wünscht sich eine Debatte über ein Frauendiakonat.

Erzbischof Werner Thissen wünscht sich eine Debatte über ein Frauendiakonat.

Foto: Privat

Papst Franziskus ist einen Monat im Amt. Viele erwarten die "franziskanische Wende". Sie auch?

Werner Thissen Ich bin sehr dankbar, dass zwei so herausragende Päpste aufeinanderfolgen. Benedikt XVI. — das war Glaube und Vernunft, Franziskus — das ist Glaube und Barmherzigkeit. Ich sehe bei Franziskus eine Parallele zu Papst Johannes XXIII. Beide verbindet Mut und Unkompliziertheit.

Soll Franziskus so wie Franz von Assisi die Kirche aufmischen?

Thissen Der Heilige Franz hat die Kirche durch seine geistige Haltung erneuert. Es deutet sich schon an, dass der neue Papst im Sinne von Franz von Assisi Akzente setzt für die Armen, wobei nicht nur die materiell Armen gemeint sind.

Joseph Ratzinger hat schon 1994 gegenüber dieser Zeitung gesagt, die Kirche in Deutschland müsse sich fragen, von welchen Dingen sie sich trennen kann. Ein früher Fingerzeig Richtung Franziskus' Wunsch nach einer "armen Kirche für die Armen"?

Thissen Das kann man so deuten. Die Armen haben in der Welt noch keine ausreichende Lobby. Wir müssen diese Lobby noch viel mehr als bislang schon sein. Franziskus tut uns allen in der Kirche gut.

Kardinal Martini hat 2012 kurz vor seinem Tod gefragt, wer die Kirche endlich aufrüttele. Womit wird uns Franziskus überraschen?

Thissen Der Papst ist nicht dazu da, Aha-Effekte zu produzieren, sondern, das Evangelium zum Leuchten und in die Köpfe und Herzen der Menschen zu bringen.

Und konkret?

Thissen Dazu gehören unverzichtbar der Einsatz für die Armen, da hat mich als zuständigen Misereor-Bischof Franziskus ganz auf seiner Seite. Die Misereor-Botschaft heißt: Denkt an die Armen! Ich bin sicher, dass wir die Botschaft mit Franziskus noch besser unter die Menschen bringen. Es ist doch ein Markenzeichen der Kirche, sich um diejenigen zu sorgen, die am meisten Hilfe nötig haben.

Sollte Franziskus bei der Frage der Zulassung geschiedener Wiederverheirateter das erste große Barmherzigkeits-Zeichen setzen?

Thissen Die Bischofskonferenz widmet sich gerade dieser Frage intensiv. Wir werden alles tun, um das an Erleichterung zu schaffen, was redlich möglich ist.

Entscheiden kann doch nur Rom.

Thissen Ja, aber das, was wir erarbeiten, geht dann zur Entscheidung an den Papst. Ich wünsche, dass geschiedenen Wiederverheirateten, die in dieser Situation sind, von der Kirche geholfen wird.

Redet die Kirche zu viel von Moral?

Thissen Die Kirche ist nicht in erster Linie eine moralische Institution. Wir müssen die Frohe Botschaft und die Lebensqualität des Glaubens verkünden. Natürlich hat der Glaube auch Konsequenzen für menschliches Verhalten. Aber die Kirche sollte nicht nur mit erhobenem Zeigefinger auf die Konsequenzen verweisen. Wir müssen zeigen, wie der Glaube hilft, und zwar nicht nur an Sonnentagen, sondern auch an dunklen Tagen.

Am 1. Mai beginnt in Ihrer Stadt der Evangelische Kirchentag. Und die Ökumene?

Thissen Manchmal muss ich aufpassen, dass ich nicht ungeduldig werde. Aber wir können die Einheit nicht wie Politiker verhandeln, es geht um die Heilige Schrift und die Tradition der Kirche. Mit der Brechstange geht's nicht bei der Ökumene. Ich bin zuversichtlich, dass die Spaltung ganz überwunden wird. Deshalb war ich froh, dass Präses Schneider der erste Deutsche war, der Franziskus besucht hat. Ich fand auch Schneiders Reaktion sehr schön. So etwas bringt uns voran in der Überwindung der Spaltung. Manches, was uns trennt, ist eigentlich mehr eine Gefühligkeit, die sich in Jahrhunderten entwickelt hat.

Stören Zölibat und Nein zu Priesterinnen die Ökumene?

Thissen Beim Thema Zölibat erlebe ich eine neue Nachdenklichkeit meiner Gesprächspartner, die sagen: Wenn ihr katholischen Priester die Ehelosigkeit wirklich auf euch nehmt, dann muss doch etwas dran sein am Glauben.

Sie kennen die Witzeleien über die Keuschheit der Pfarrer.

Thissen Ja, es gibt ja auch Verfehlungen. Dennoch: Der Zölibat bleibt Stachel im Fleisch. Dass wir als Priester so etwas Ungeheuerliches verkünden wie die Gegenwart Christi, das muss sich in irgendeiner Form auch in unserer Lebensweise zeigen. Dieses Zeichen ist die Ehelosigkeit der Priester.

Was ist mit Priesterinnen?

Thissen In der Bischofskonferenz denken wir nach über eine noch deutlichere kirchliche Beauftragung von Frauen, jenseits des Weihesakraments Bischof, Priester, Diakon.

Über ein spezielles Frauendiakonat?

Thissen Wie man es dann nennt, wäre mir nicht so wichtig, aber dass sich in die Richtung etwas bewegt, das ist mir wichtig.

REINHOLD MICHELS FÜHRTE DAS INTERVIEW

(RP/nbe)
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