Mangelnde Betreuung nach traumatischen Erlebnissen Lokführer der Deutschen Bahn überlastet

Mainz (RPO). Einer Studie der Universität Stuttgart zufolge fühlen sich die Lokführer der Deutschen Bahn zunehmend überlastet. Sie hätten häufiger Nachtschichten und immer mehr technische Störungen zu bewältigen. Nach traumatischen Erlebnissen wie Suiziden fühlten sie sich im Stich gelassen.

Dies berichtet das ZDF-Magazin "Frontal 21" unter Berufung auf ein Gutachten des Verkehrswissenschaftlichen Instituts der Universität Stuttgart, das im Auftrag der Gewerkschaft der Lokführer (GdL) erstellt worden sei. Hunderte Lokführer seien befragt worden.

Jeder zweite Lokführer fühlt sich demnach nach traumatischen Ereignissen wie Suiziden nicht ausreichend betreut. Mehr als die Hälfte der Befragten nannte die Betreuung nach Eisenbahnbetriebsunfällen oder Selbstmorden höchstens "befriedigend" und sehr oft "schlecht" oder "sehr schlecht". Zwei Drittel der Lokführer erlebten den Angaben zufolge bereits einen Bahnbetriebsunfall; pro Jahr töten sich etwa 1000 Menschen auf den Gleisen, durchschnittlich drei am Tag.

Der stellvertretende GDL-Vorsitzende Sven Grünwoldt nannte das Ergebnis "sehr erschreckend" und forderte der Mitteilung vom Dienstag zufolge einen 24-stündigen Bereitschaftsdienst mit psychologisch geschultem Personal, das sich am Unfallort um den Lokomotivführer oder auch Zugbegleiter kümmert.

Die Befragung ergab dem Bericht zufolge zudem eine gestiegene Belastung durch die Schichtarbeit. Bei 50 Prozent der Lokomotivführer beginnt oder endet der Dienst sechs- bis neunmal im Monat zwischen 00.00 und 04.00 Uhr. Besonders belastend seien die sogenannten "Kurz-Wechsel" von einer Nacht- in eine Frühschicht oder umgekehrt. Außerdem seien "Schichten bis zu 14 Stunden keine Seltenheit", kritisierte der GDL-Funktionär Grünwoldt. Zwischen den Fahrten gebe es zudem keine Pause. Grund sei der Abbau von 10.000 Stellen seit der Bahnreform 1994.

Bis zu vier technische Störungen pro Schicht

Laut der Studie haben Lokführer auch immer häufiger mit technischen Problemen zu tun, bei mehr als der Hälfte der Lokführer im Fernverkehr sind es demnach bis zu vier Störungen pro Schicht. Bei den S-Bahn-Lokführern waren es sogar 61 Prozent.

Die Deutsche Bahn schob die Schuld dem Bericht zufolge auf die Industrie: "Es wird nicht an der Sicherheit gespart. Vielfach muss in der Wartung das ausgeglichen werden, was die Fahrzeugindustrie leisten müsste." Zur Betreuung der Lokomotivführer nach traumatischen Ereignissen erklärte der Konzern, ihr Konzept für Lokführer sei führend in Europa und bot der GdL an, es zu optimieren.

(apd/jre)
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