Debatte um künstliche Befruchtung Schalansky wirft Lewitscharoff "ungeheuerliche Hetze" vor

München · Neue Runde im Streit um die Äußerungen von Sibylle Lewitscharoff: Die Büchnerpreisträgerin bekommt Gegenwind in Sachen künstlicher Befruchtung durch die Berliner Schriftstellerin Judith Schalansky. SIe wirft der Autorin eine "ungeheuerliche Hetze" vor.

 Sibylle Lewitscharoff gerät ins Kreuzfeuer der Kritik.

Sibylle Lewitscharoff gerät ins Kreuzfeuer der Kritik.

Foto: dpa, han pzi ade fpt

In der "Süddeutschen Zeitung" schreibt Schalansky, "als Kollegin und als lesbisch lebende, schwangere Frau" sei sie geschockt über die Äußerungen der Büchnerpreisträgerin. Ihr Kind sei auf eine Weise entstanden, die Lewitscharoff als "widerwärtig" und "abscheulich" verteufele, betont die 33-Jährige: "Ein Frauenpaar und ein schwuler Mann gründen eine Familie, freuen sich auf ein Kind, um das sie sich gemeinsam kümmern wollen."

Derart entstandene Kinder "Halbwesen" zu nennen, huldige "einem absurden, biologistischen, faschistoiden Natürlichkeitsideal", schreibt Schalansky ("Der Hals der Giraffe"). Lewitscharoff hatte bei einer Rede am vergangenen Sonntag in Dresden für einen Eklat gesorgt.

Ethiker: Äußerungen sind unhaltbar

Auch der Freiburger Medizinethiker Giovanni Maio hält die Aussagen von Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff zu Retortenkindern für völlig unhaltbar. "Sie bringt ein diffuses Unwohlsein zum Ausdruck, kann dieses aber weder richtig formulieren noch richtig begründen", sagte Maio der Nachrichtenagentur dpa. "Das, was sie da gesagt hat, ist nicht nur inhaltlich inakzeptabel, sondern auch auf einem argumentativen Niveau, was dieser Sache letztlich nicht würdig ist", sagte Maio, der an der Universität Freiburg den Lehrstuhl für Medizinethik leitet.

Lewitscharoffs Argumentation, dass im Reagenzglas gezeugte Kinder halb künstlich seien, bezeichnete Maio als vollkommen irrational. "Der Mensch, der durch die künstliche Befruchtung entsteht, ist ja selbst nicht künstlich. Er ist aus den gleichen Keimzellen entstanden wie jeder Mensch, nur dass diese eben nicht im Körper der Frau zusammengekommen sind, sondern außerhalb des Körpers durch technische Verfahren", sagte Maio. Die Schriftstellerin verwechsele hier die Künstlichkeit der Prozesse mit der Künstlichkeit des Menschen. Diese argumentative Schlussfolgerung sei völlig unhaltbar.

Die Büchnerpreisträgerin bezeichnete Kinder, die mit künstlicher Befruchtung gezeugt wurden, als "Halbwesen". Von diesem Begriff distanzierte sich die 59-Jährige inzwischen, hielt aber an ihrer prinzipiellen Ablehnung der Reproduktionsmedizin fest.

(dpa)
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