Klinikum Essen Staatsanwaltschaft ermittelt schon seit 2006

Essen (RPO). Der Skandal um die Uniklinik Essen weitet sich aus: Gegen Chefarzt Christoph Broelsch ermittelt die Staatsanwaltschaft nicht nur wegen des Verdachts der Erpressung von Patienten, sondern außerdem auch wegen mutmaßlicher unlauterer Machenschaften bei einer Organtransplantation. Das bestätigte die Sprecherin der Essener Ermittlungsbehörde, Angelika Matthiesen, am Dienstag.

Die Verwandten einer krebskranken Frau sollen eine fünfstellige Spende gezahlt haben, um für sie eine schnellere Lebertransplantation zu erreichen. Man ermittele daher seit 2006 gegen den Chefarzt und einen Oberarzt, erklärte Matthiesen.

Broelsch erklärte, er werde zu der Aufklärung der "unerhörten Vorwürfe" mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln beitragen. Bevorzugungen jedweder Form oder Organhandel widersprächen seinem Selbstverständnis zutiefst und würden von ihm "aus rechtlichen, humanitären und christlichen Überlegungen" abgelehnt.

Zudem soll Broelsch gegen Geldspenden schneller Behandlungstermine an Kassenpatienten vergeben haben. Man wisse von zehn bis zwölf Fällen, in denen der Arzt Spenden zwischen 5.000 und 10.000 Euro für die Vergabe von Terminen gefordert haben soll. Seit der vergangenen Woche ermittelt die Staatsanwaltschaft daher wegen des Verdachts der Vorteilsnahme, der Erpressung und der versuchten Erpressung. Die Gelder seien auf Konten des Klinikums geflossen.

Der Mediziner wies auch diese Vorwürfe zurück. "Niemals ist unter meiner Klinikleitung eine Krebsoperation oder ein anderer medizinischer Eingriff von einer Spende abhängig gemacht worden", erklärte er. Zu keinem Zeitpunkt habe er Patienten zu einer Spende gedrängt.

In Einzelfällen werde er von Kassenpatienten gebeten, sie persönlich zu behandeln. Diesen müsse er sagen, dass sie die Zusatzleistung wegen des deutschen Kassenrechts selbst zahlen müssten. Einzelnen Patienten habe er angeboten, gegen eine Spende auf sein Honorar zu verzichten. Die Patienten seien aber darauf hingewiesen worden, dass sie auch ohne Spende von den Spezialisten der Klinik behandelt würden. Wenn Spenden geleistet wurden, gingen diese dem Arzt zufolge auf ein Konto der Klinik und flossen der medizinischen Forschung zu. Eine persönliche Bereicherung zu Lasten der Not leidenden Patienten verbiete ihm auch sein christliches Weltbild.

Disziplinarverfahren soll Vorwürfe klären

Bekannt geworden waren als erstes die Vorwürfe einer Krebs-Patientin, die sich vergeblich um einem Operationstermin bemüht haben soll. Nach drei geplatzten Terminen soll der Kassenpatientin gegen eine 5.000-Euro-Spende ein Platz angeboten worden sein.

Die Universität Duisburg-Essen erklärte, man habe entschieden, ein Disziplinarverfahren gegen Broelsch einzuleiten. Er habe dies nach einer zweistündigen Sitzung selbst beantragt. Ziel sei es, die Vorwürfe zu klären. Broelsch habe eine Erklärung abgegeben, die Spendenpraxis sofort einzustellen. Vom Dienst enthoben wurde er zunächst nicht.

Der Staatsanwaltschaft zufolge haben sich mittlerweile zahlreiche weitere mögliche Betroffene gemeldet, die zu Spenden aufgefordert worden sein sollen. "Jetzt müssen wir prüfen, ob das vergleichbare Fälle sind", sagte die Sprecherin. Zudem untersuche die Ermittlungskommission die Unterlagen zu den betroffenen Konten. "Das ist eine sehr zeitaufwendige Sache."

(ap)
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