"Deutschland sucht den Superstar" Der Verfall einer Musikshow
Köln · Dank Dieter Bohlen war "Deutschland sucht den Superstar" nie die seriöseste unter den deutschen Castingshows. Zum Start der neuen Staffel aber ist endgültig klar: Für Musik oder gar Gesangstalente interessiert sich hier niemand.
DSDS: Staffel 12 beginnt mit Tränen und einer Meerjungfrau
Man sieht sie am Strand. Man sieht sie am Pool. Man sieht sie, wie sie mit ihrem Hund Gassi geht. Man sieht sie — überall. Seit Mandy Capristo mit Nationalspieler Mesut Özil zusammen war, ist sie ist fast täglich irgendwo in der "Bild"-Zeitung. Das generiert Aufmerksamkeit, und die kann wiederum die RTL-Show "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) gebrauchen, die seit 2002 läuft und deren gute Zeiten aus Quotensicht schon sehr lange zurückliegen.
War die erste Staffel mit Gewinner Alexander Klaws noch ein Ereignis von nationaler Bedeutung mit bis zu 15 Millionen Zuschauern, fällt die Quote seit Jahren kontinuierlich, zuletzt auf 3,8 Millionen. Deshalb tauscht RTL jedes Jahr die Jury aus, und bei der neuen Staffel, die am Mittwochabend mit einer zweistündigen Folge begann, darf nun Klatsch-Sternchen Mandy Capristo ihr fachmännisches Urteil abgeben. Die hat vor neun Jahren beim "DSDS"-Konkurrenten "Popstars" gewonnen, war einige Jahre in der leidlich erfolgreichen Mädchen-Band "Monrose" und eben kurzzeitig Weltmeister-Spielerfrau.
Das ist die DSDS-Jury 2014
Außerdem neben Bohlen und einem gewissen DJ Antoine in der Jury: ein noch größerer Liebling der "Bild"-Zeitung, nämlich Heino. Der 76-Jährige Schlagerbarde macht neuerdings mit erschreckendem Erfolg auf Metal-Opa und bringt zwar null Expertise für einen kommenden "Superstar" mit, aber Aufmerksamkeit. Dass Gewinner von Castingshows zumindest in Deutschland niemals erfolgreich sind, gilt zwar auch für Konkurrenten wie "The Voice". Doch dort wahrt man zumindest noch den Anschein, es gehe um Stimmen und Musik. DSDS dagegen ist eine Art musikunterlegte Variante von "Berlin Tag & Nacht", bei die Kandidaten gern mal vorbestraft sind oder um den geliebten Schwippschwager trauern.
Auf seiner Homepage schreibt RTL: "Der DSDS-Recall der zwölften Staffel findet in Thailand statt. In Gruppen kämpfen die Kandidaten um den Einzug in die DSDS-Shows und müssen dabei wieder Challenges wie z.B. Tanzbreaks und unterhaltsame Intros einbauen." Abgesehen davon, dass nicht ganz klar ist, was Tanzbreaks und unterhaltsame Intros überhaupt sind: Sie sollen vor allem Szenen für die Laien-Soap DSDS generieren, Streitereien um die besten "Tanzbreaks" inklusive.
Die DSDS-Gewinner – und was aus ihnen wurde
Auch das neue "Finale" klingt nach leiser Verzweiflung. Statt der Live-Shows gibt es nun eine DSDS-Tour, bei der Kandidaten etwa ab 13 Uhr im Skiort Ischgl auftreten. Vermutlich würde RTL sie am liebsten gleich an den Ballermann schicken, wenn der Showstart nicht im Winter wäre. Dieter Bohlen sitzt mittendrin in seinen wechselnden Camp-David-Hemden und spult seine 1000 Mal gehörten Sprüche zwischen "Mein Hund furzt besser als du singst" und "Hammergeil" herunter.
Wer auch immer gewinnt, ist nach fünf Minuten vergessen, auch wenn die "Bild"-Zeitung tapfer Geschichten rund um die "Superstars" erfindet und deren wenige Tourdaten verkündet. Man hat das Gefühl, dass RTL wie ein trotziges Kind an der Marke DSDS festhält, obwohl deren Ende längst besiegelt ist. Doch einen Platzhirschen wie Dieter Bohlen, der auch mit dem "Supertalent" noch viel Sendezeit füllt, wenn auch ebenfalls mit heftig fallenden Quoten, setzt man eben nicht so einfach vor die Tür.
Vermutlich sorgt Mandy Capristos Ausschnitt oder ihr aktueller Beziehungsstatus für mehr Wirbel als ein einziger der Kandidaten. Doch wenn die Özil-Ex damit ein paar mehr Zuschauer anzieht, ist der Sender zufrieden.
