Berlin Die DDR-Grenzer als Witzfiguren

Berlin · Die ARD zeigt die Nacht des Mauerfalls in "Bornholmer Straße" als seichte Komödie mit wenigen eindringlichen Szenen.

Kaum ein anderer Regisseur könnte die Ereignisse der Nacht des 9. November 1989 besser erzählen als Christian Schwochow. Seine Familie hatte in der DDR einen Ausreiseantrag gestellt, der ausgerechnet im November 1989 bewilligt wurde. Die große Frage des Gehens oder Bleibens hat seine Familie begleitet. 2013 erhielt Schwochow für die Verfilmung des DDR-Familiendramas "Der Turm" den Grimme-Preis. Doch nun lässt er ausgerechnet bei der Verfilmung der spektakulären Grenzöffnung an der Bornholmer Straße in Berlin das nötige Fingerspitzengefühl vermissen.

Die ARD hat den Spielfilm als Großereignis zum 25. Jahrestag des Mauerfalls ins Programm genommen. Die Gemeinschaftsproduktion von MDR, RBB und ARD Degeto fährt für die "unglaubliche, aber wahre Geschichte von Oberstleutnant Harald Schäfer" die erste Garde des deutschen Schauspiels auf. Charly Hübner ("Polizeiruf") gibt der Hauptfigur Oberstleutnant Harald Schäfer so viel Tiefgang, wie es das Drehbuch erlaubt. Ulrich Matthes ("Der Untergang") brilliert als Oberst in der SED-Zentrale am Rande des Wahnsinns. Aber Schwochow hat sich aus unerfindlichen Gründen dafür entschieden, die dramatische Nacht an der Grenzanlage als Tragikomödie zu erzählen. Er hätte sich besser an den wahren Krimi gehalten, der sich abspielte.

Das Vorbild der Figur Harald Schäfer heißt Harald Jäger. Als die Nachricht von Schabowskis legendärer Pressekonferenz und seiner Aussage, dass "ab sofort" Reisefreiheit für DDR-Bürger gilt, unter den Grenzbeamten die Runde macht, steht der Verlauf der weiteren Geschichte auf Messers Schneide. Oberstleutnant Jäger steht vor der Entscheidung, ob er auf die Menschen, die sich am Schlagbaum sammeln und "Tor auf!" rufen, schießen lässt oder nicht. Für ein paar Stunden hängt die Zukunft Europas von einem einfachen Grenzsoldaten ab, der vergeblich auf Befehle aus der SED-Zentrale wartet - und schließlich seinem gesunden Menschenverstand folgt. Es ist eine unglaubliche Geschichte, die das Leben da schrieb.

Doch Schwochow konnte oder wollte sich mit der historischen Steilvorlage nicht begnügen. Und so werden in seinem Film die DDR-Grenzleute zu einer Truppe trotteliger Dilettanten und Sprücheklopfer degradiert, die nichts Bedrohliches an sich haben. Der Vollblut-Stasi-Mann (Milan Peschel) ist ein Hundeliebhaber, der keiner Fliege etwas zuleide tun kann. Dann gibt es noch ein Muttersöhnchen, das sich beim ersten Ansturm der DDR-Bürger ausweinen muss. Und es gibt den Ober-Bürokraten, der Vorgänge einfach abheften will. Max Hopp als Hauptmann Schönhammer spielt den durchgeknallten Waffennarr, der gern die "Lilly" rausholen möchte. Die damals durchaus reale Gefahr, dass das Maschinengewehr auf Zivilisten gerichtet worden wäre, wird verballhornt. Die Haltung des Films, der die tollpatschigen Aktionen der hilflosen Grenzer mit alberner Musik untermalt, ist befremdlich.

Seine stärksten Momente hat der Film, wenn er andere Hauptfiguren jener Nacht in den Fokus rückt. Die Darstellung der DDR-Bürger, die sich nicht mehr wegschicken lassen und über die Grenze wollen, ist emotional und treibt einem Tränen der Rührung in die Augen. Mehr davon hätte gutgetan. Wer unter den Schikanen der Grenzbeamten in der DDR zu leiden hatte, muss sich von diesem Film ziemlich auf den Arm genommen fühlen.

"Bornholmer Straße", ARD, 20.15 Uhr

(rl)
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