Oslo Norwegen guckt Rentiere

Oslo · Der Sender NRK überträgt die Wanderung der Herden ins Sommerquartier. Und die Quote steigt.

Ein Kameramann widersetzt sich den Regieanweisungen: Das gezähmte Rentier Muzet wurde eigens darauf trainiert, eine Kamera am Geweih zu tragen. Aber das hat ihm ganz und gar nicht gefallen: Muzet hielt sich abseits der Herde auf und versuchte, die Kamera loszuwerden. "Dabei hat er nur Selfies gemacht. Wir mussten ihm die Vorrichtung wieder abnehmen", sagt Paul Hivan vom norwegischen Sender NRK.

In einem technisch höchst aufwendigen Projekt überträgt der öffentlich-rechtliche Fernsehsender NRK derzeit die gesamte Frühjahrswanderung einer Rentierherde von der Finnmarksvidda zur Insel Kvaløy in Nordnorwegen, wo die trächtigen Kühe schließlich kalben werden. In den sonst so einsamen und noch schneebedeckten Weiten legen die Tiere rund 260 Kilometer zurück. Rund 100 Kilometer davon wollte die TV-Crew begleiten. Über Jahrhunderte hinweg war dieses sonderbar hypnotische Schauspiel nur wenigen Rentierhaltern aus der indigenen samischen Minderheit vorbehalten.

Seit Montag vergangener Woche ist die Herde unterwegs. Sieben Tage sollte die Wanderung dauern. "Aber das entscheiden die Rentiere. Wir sind auf eine Verlängerung vorbereitet", sagt Hivan. Am Montag wurde das Programm kurz unterbrochen, jedoch mit dem Versprechen, wieder zu senden, wenn die Herde eine Meerenge überquert. Die Rentiere waren selbst für das "Slow TV" zu langsam.

Dennoch steigt seit Tagen die Einschaltquote. 36 Fernsehmitarbeiter begleiten die Tiere mit Hundeschlitten, Schneemobilen, Zelten, Kameradrohnen, Stromgeneratoren und einem ausgeklügelten Übertragungssystem. Weil dort im Norden keine Satellitenübertragung möglich ist, wurden auf der ganzen Strecke Signalspiegel aufgebaut, um das Spektakel live senden zu können. Der Sender NRK ist inzwischen bekannt für seine langsamen Fernsehprogramme, auch "Slow TV" genannt. Bereits 2009 hatte NRK eine siebenstündige Live-Übertragung einer Zugfahrt von Oslo nach Bergen durchgeführt. Ermutigt von den guten Einschaltquoten folgte eine mehrtägige Sendung vom traditionsreichen Hurtigruten-Postschiff, das die malerische Küste Norwegens von Örtchen zu Örtchen abfährt und eine norwegische Institution ist. Rund 3,2 Millionen Zuschauer sahen zumindest einen Teil der fünftägigen Dokumentation - eine sehr gute Einschaltquote, angesichts der Einwohnerzahl von nur 5,2 Millionen.

"Mit diesen Programmen wollen wir allen Norwegern den Alltag in Teilen unseres Landes zugänglich machen, den viele kaum kennen", sagt Paul Hivan.

Info Auch aus dem deutschsprachigen Raum kann man über die Internetadresse www.nrk.no/rein/ den Rentieren zuschauen.

(RP)
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