"Hochzeit auf den ersten Blick" Sat.1-Hochzeitsshow erreicht NRW-Innenministerium

Düsseldorf · Nie zuvor gesehen, dann im Privatfernsehen verheiratet - die Sat.1-Kuppelshow "Hochzeit auf den ersten Blick" ruft Empörung, Abscheu, aber auch Neugier hervor. "Ich hatte ein Gefühl von Fremdscham", sagt FDP-Chef Christian Lindner. Auch NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) lässt den Fall beobachten. Eine rechtliche Handhabe hat er allerdings kaum.

 Der Bund fürs Leben oder für die Quote? Die Sat1-Kuppelshow "Hochzeit auf den ersten Blick" sorgt für anhaltende Diskussionen.

Der Bund fürs Leben oder für die Quote? Die Sat1-Kuppelshow "Hochzeit auf den ersten Blick" sorgt für anhaltende Diskussionen.

Foto: Sat1

Sat.1 spricht von einem Experiment. Dass ein TV-Sender Paare verheiratet, die sich nie zuvor gesehen haben, hat es so in Deutschland noch nicht gegeben. Entsprechend groß ist die Aufmerksamkeit, die die Show auf sich zieht. Die beiden Hauptfiguren, Bea Bäcker und Tim Kirschbaum, sind vor wenigen Tagen aus den Flitterwochen gekommen und versuchen sich jetzt im Zusammenleben. Nach reiflicher Überlegung haben sie sich dazu entschieden, einen fremden Menschen zu heiraten, der nach Aussage eines Psychotests gut zu ihnen passen könnte.

Spannendes Experiment? Oder Tabubruch? In der Öffentlichkeit hat die Serie viele kritische Reaktionen ausgelöst. Der Kölner Kardinal Rainer Woelki etwa attackierte das Konzept als "abstoßend" und "geschmacklos". Die Kuppel-Show pervertiere nur um der Quote willen die Ehe. Auch die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Margot Käßmann, kam zu einem vernichtenden Urteil. Die Ehe sei definitiv kein Spaß für Fernsehunterhaltung.

Auch FDP-Chef Christian Linder ließ sich offenbar schon zu einem Blick ins Sat.1-Programm hinreißen. "Ich hatte ein Gefühl von Fremdscham, als ich neulich reingeschaut habe", zitiert ihn am Mittwoch der Kölner Express. Auch sein Fazit fällt kritisch aus: Medien müssten nicht alle Werte und Traditionen relativieren.

Anders fällt die Resonanz in Leserkommentaren aus. Zwar ist die Sendung auch dort umstritten. Doch melden sich auch offen Befürworter zu Wort. "Ich finde die Kuppel-Show von SAT1 zeitgemäß und unterhaltsam. Die Ehe ist meist eine zeitlich befristete Zweckgemeinschaft, die aus steuerlichen oder anderen finanziellen Gründen geschlossen wird. Stichwörter: Ehegattensplitting, Witwenrente, Erbschaftsfreibeträge etc.", schreibt etwa ein Nutzer bei RP ONLINE.

Aufgrund der hohen Wellen, die die Sat.1-Show "Hochzeit auf den ersten Blick" geschlagen hat, informiert sich nun auch das NRW-Innenministerium über die Abläufe im Vorfeld der Sendung. Das bestätigte Sprecherin Birgit Axler. Geprüft würde, wer eigentlich das Brautpaar beim Standesamt anmeldet und wie das verwaltungsmäßige Prozedere aussähe. Sie machte aber deutlich, dass dies ein rein informatorischer Prozess sei. "Wir haben keine Anhaltspunkte, dass etwas nicht ordnungsgemäß abgelaufen ist", sagte sie weiter.

Bei "Hochzeit auf den ersten Blick" geben sich zwei Fremde das Ja-Wort. Sie lernen sich auf dem Standesamt kennen und müssen dann spontan entscheiden, ob sie die Ehe eingehen wollen. Einmischen kann sich das Innenministerium nicht — dafür gibt es keine rechtliche Grundlage. "Standesamtliche Angelegenheiten sind kommunale Angelegenheiten", so Axler. "Die Standesbeamten handeln weisungsungebunden."

Dass es sich aber um durchaus mehr als einen Fernsehspaß handelt, zeigt ein Anruf beim Anwalt. "Die Ehen, die in der Show geschlossen werden, sind rechtskräftig, betont die Düsseldorfer Rechtsanwältin Leonora Hollig. Der Standesbeamte muss die beiden trauen: "Man spricht von einer Konsensehe", erklärt die Juristin. Diese Form der Ehe beruht auf der Zustimmung beider Heiratswilliger. "Wenn die ,Vertragspartner' wünschen, dass der Standesbeamte die Ehe beurkundet, hat er kaum einen Ermessensspielraum, das abzulehnen." Nur wenn er den Eindruck hat, einer von beiden werde erpresst oder sei nicht geschäftsfähig, könne er das überprüfen lassen.

(jnar pst)
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