Düsseldorf Nach dem Abi bloß nicht nichts machen

Düsseldorf · Wer nicht unmittelbar nach dem Abitur schon studieren will, sollte sich gut überlegen, was er mit dem gewonnenen Jahr anstellen möchte. Denn schnell geraten Abiturienten in einen Leerlauf - und der macht sich nicht gut im Lebenslauf.

Der eine hat sich ein Jahr auf die Aufnahmeprüfung an der Sporthochschule Köln vorbereitet, die andere ein Jahr an der Mappe für die Kunstakademie getüftelt. Beide sind nicht angenommen worden - und sitzen nun ratlos vor Studien- und Berufsberaterin Karin Wilcke aus Düsseldorf. "Ich berate derzeit viele Jugendliche, die bereits 2013 Abi gemacht haben, aber auch nach diesem einen Jahr nicht wissen, was sie genau studieren wollen", sagt Wilcke.

Wie auch ihre Kolleginnen von der Uni-Studienberatung beobachtet die Düsseldorferin, dass viele G8-Schüler nach dem Abitur nicht sofort ins Studium starten möchten. "Sie haben das Gefühl, dass sie ein Jahr eingespart haben, das sie nun zur freien Verfügung haben. Viele fühlen sich auch nicht reif, eine Entscheidung zu treffen. Alternativ-Pläne haben sie meist aber nicht oder nur sehr vage." Und genau da liegt das Problem: Ein Jahr gar nichts machen, sieht später im Lebenslauf nicht besonders gut aus. "Genau gerechnet sind es ja sogar 15, 16 Monate", sagt Karin Wilcke. "Vor allem, wer sich noch um eine Ausbildung bewerben möchte, hat kaum eine Chance mit einer solchen Lücke." Dabei gönne sie jedem nach dem Abi eine Pause, so die Studienberaterin, schließlich bedeute G8 viel Stress und Hektik. "Aber ich sollte mir einen Plan machen und das Jahr strukturieren. Nur so komme ich dann auch zum Wintersemester 2015 zu einer Studienentscheidung."

Zunächst einmal sollten sich die Abiturienten einen langgehegten Traum erfüllen, zu dem bisher vielleicht die Zeit fehlte, empfiehlt Karin Wilcke. Ob das sechs Wochen Safari in Namibia, ein Schauspielkurs, ein Sprachcamp oder ein Freiwilligendienst sind, sei erst einmal egal. Unter 18-Jährige müssten bedenken, dass beliebte Angebote wie "Work and Travel" in Australien erst ab der Volljährigkeit möglich sind.

Oft fällt in der Überlegung, was in dem freien Jahr auf dem Plan stehen sollte, auch das Wort "Praktikum". "Ganz viele tolle Praktika machen - das höre ich oft in der Beratung", sagt Karin Wilcke. Dabei sei zu bedenken, dass begehrte und große Unternehmen Praktikumsplätze oft schon Monate im Voraus vergeben haben. Hier sollte man also bei der Bewerbung entsprechend Vorlauf einplanen. "Außerdem kann man sich auf ein bis zwei Praktika beschränken", empfiehlt die Studienberaterin. "Die sollten dann aber mindestens drei Monate dauern, alles darunter hat wenig Sinn." Den Rest des Jahres könne man dann zur Studienfach-Findung nutzen.

Und dafür ist es sinnvoll - da es die Zeit ja erlaubt -, sich die Studiengänge, die einen interessieren, genau anzuschauen. Karin Wilcke empfiehlt eine Zug-Rundreise durch Deutschland zu den verschiedensten Hochschulen. Dort kann man sich einfach mal in Vorlesungen setzen, mit Studenten sprechen, das Flair am Campus kennenlernen. Manche Universitäten bieten auch Schnuppertage an. "Das eine Jahr muss mich in der Entscheidung weiterbringen, welchen Beruf ich ergreifen möchte und welches Studium dafür notwendig ist. Es kann nicht sein, dass in all der Zeit gar nichts passiert", sagt die Expertin. Auch sei es in Ordnung, eine Fehlentscheidung zu treffen - auch wenn viele Abiturienten davor die größte Angst hätten. "Lieber nach einem Jahr wechseln - das kreidet einem kein Arbeitgeber negativ an -, als ein Jahr gar nichts machen."

Übrigens bieten einige Hochschulen auch sogenannte Summer Schools oder Sommer-Uni-Veranstaltungen an. In Duisburg-Essen beispielsweise kann man, auch ohne eingeschrieben zu sein, im Projekt "Mint Starter" Vorkurse zu mathematischen, ingenieurwissenschaftlichen oder naturwissenschaftlichen Fächern besuchen. Ähnliches gibt es in Offenburg unter dem Stichwort "StartIng". Die Technische Universität München bietet das "Studium Naturale", in dem man sämtliche mathematisch-naturwissenschaftliche Fächer unverbindlich kennenlernen und ausprobieren kann. Die Thüringer Hochschulen wiederum bieten eine kleine Rundreise durch sieben Thüringer Universitäten und Fachhochschulen an ("Campus-Thüringen-Tour"). Wer im Internet unter den Stichwörtern "College Jahr", "Gap Year" oder "Schnupperstudium" sucht, findet noch mehr Angebote.

Und wie wäre es, in dem Jahr zwischen Abitur und Studium einfach zu jobben? Karin Wilcke sieht das mit gemischten Gefühlen. "Wenn ich jobbe, dann nicht einfach als Regalauffüller im Supermarkt oder als Bedienung im Café nebenan. Ich sollte etwas suchen, das in die Richtung meines Studienwunsches geht, in der Branche, in die ich später eintreten möchte." Wer sich für Kunst interessiere, könne sich beispielsweise um Nebenjobs in Galerien, Auktionshäusern oder Museen bewerben. "Das macht sich dann später auch gut im Lebenslauf."

(RP)
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