New York Eier ohne Hühner

New York · Immer mehr Start-up-Unternehmen entwickeln Nahrung auf biotechnologischem Weg. Tierische Mitwirkung ist nicht vorgesehen.

Wenn Arturo Elizondo über Hühner spricht, bekommt er schlechte Laune. "Hühner sind als Proteinfabrik nicht gut geeignet", sagt der Manager eines Start-ups, "sie sind weder effizient noch nachhaltig." Während seines Vortrags zeigt Elizondo ein paar Leistungsdaten eines Huhns. Für die Herstellung von zwölf Eiern benötige man etwa 2400 Liter Wasser. Ökologisch sei das nicht. Zudem besitze das Produkt die Gefahr von Antibiotika-Rückständen und Salmonellen-Befall. Über die quälende Massentierhaltung in Legebatterien will er erst gar nicht sprechen. Und schließlich müssten die Eier häufig noch mühevoll aufgearbeitet werden. Dotter und Schale landen häufig im Müll, die Lebensmittelindustrie interessiert sich oft nur für das Eiweiß.

Höchste Zeit also, an Alternativen zu denken. Eiweiß ohne Hühner als Einstieg in eine neue Landwirtschaft, die auf Tiere verzichten kann. Ideal für Menschen, die vegan leben wollen. Das Huhn bekommt Konkurrenz aus dem Labor: "Clara Foods", ein US-Biotechnologie-Unternehmen, will Hühner-Eiweiß mit Hilfe von Hefe herstellen. Dazu haben die Entwickler einige fremde Gene in die DNA der Hefe eingeschleust und dadurch ihren Stoffwechsel so verändert, dass der Organismus zum Eiweiß-Produzenten wird. "Es sieht aus wie Hühner-Eiweiß, schmeckt so und lässt sich so verarbeiten", so verspricht Arturo Elizondo, der Chef des Unternehmens.

Elizondos Hühner werden große Metallkessel oder Glasbehälter sein, sogenannte Fermenter. Die Hefen geben die Eiweiße direkt in die Nährlösung ab, aus der sie dann isoliert und gereinigt werden. Die Methode ist bei der Herstellung von Medikamenten längst erprobt. Vor mehr als 30 Jahren zog die Gentechnik in die Arzneimittelproduktion ein. Prominentes Beispiel: Das für Diabetiker wichtige Insulin wurde früher aus der Bauchspeicheldrüse von Schweinen oder Rindern gewonnen. Heute produzieren veränderte Bakterien, Hefen oder sogar Pflanzen die wertvolle Substanz. Derzeit sind in Deutschland 204 Arzneimittel mit 160 Wirkstoffen zugelassen, die gentechnisch hergestellt werden, berichtet der Bundesverband der forschenden Pharmaunternehmen (VFA).

Doch die Hühner haben noch Schonzeit. Es dauert einige Jahre, bis ein Experiment in einem Laborgefäß auch in der großtechnischen Produktion angewendet werden kann. Diese Erfahrung machte ein anderes Unternehmen der Branche. Die Schweizer Firma "Evolva" wollte in diesem Jahr mit einem gentechnisch hergestellten Süßstoff aus der Stevia-Pflanze für kalorienfreie Cola den Markt umkrempeln. Das natürliche süße Aroma kann zwar auch direkt aus der Pflanze gewonnen werden, doch die Mischung enthält dann auch ein paar Substanzen, die der Süße einen unerwünschten bitteren Geschmack geben. "Evolva" entwickelte daraufhin eine Hightech-Hefe, die nur den Süßstoff-Anteil der Stevia produziert ("Eversweet"). Doch laut Neuer Zürcher Zeitung mussten die Biotechnologen die Markteinführung verschieben, weil sie bisher nicht genug Süßstoff herstellen können.

Trotzdem planen die Schweizer weitere Produkte, die meisten davon sind als Naturprodukt teuer: Vanillin, die Aromen des Safrans, des Sandelholzes oder der Grapefruit, die auch als Mückenschutz verwendet werden. Diese Ansätze bilden den Anfang einer Entwicklung, an deren Ende Pflanzen und Tiere als Rohstofflieferanten ins Abseits gedrängt werden könnten. Diese Veränderung wird von zwei Motoren getrieben. Zum einen wächst fast täglich die Zahl der Pflanzen und Tiere, deren Erbgut vollständig analysiert wurde. Dadurch entsteht eine gewaltige Datenbank, gefüllt mit der DNA der Natur. Gleichzeitig haben Bio-Informatiker Programme entwickelt, die die Datenmengen ordnen. Wenn sie wissen, welche Proteine im Eiweiß des Hühnereis vorhanden sind, dann können die Software-Spezialisten mit großer Sicherheit berechnen, welche Gene an deren Produktion vermutlich beteiligt sind. Diese Gruppe von Genen übertragen die Forscher dann in die Hefe. Manchmal erstellen sie am Computer auch ein völlig neues Stück DNA. Das Prinzip funktioniert so universell, dass man in der Zukunft noch mit vielen weiteren Beispielen rechnen muss.

Die Phantasie ist grenzenlos. Ryan Pandya und Perumal Gandhi wollen mit Gentechnik Milch herstellen. Ihr Unternehmen heißt Muufri, ein durchaus ernst gemeintes Wortspiel - Milch ohne Kuh. Die beiden Forscher ernähren sich vegan und denken an die Menschen in Asien. Dort ist Laktose-Unverträglichkeit weit verbreitet, ein riesiger Markt. Ihr Rezept für Milch besteht aus sechs Proteinen, die von gentechnisch veränderter Hefe stammen und aus acht Fettsäuren, die von Hightech-Pflanzen produziert werden sollen. Dazu geben die Milch-Mixer ein paar Mineralien, Wasser und ein bisschen Zucker. Lactose gehört nicht dazu. Im Dezember habe es die erste Verkostung gegeben, berichtet Ryan Pandya, die Testpersonen seien mit dem Geschmack zufrieden gewesen.

Pessimisten dürfen also den Abschied von der Kuh befürchten, Hühner haben noch eine etwas bessere Prognose. "Wir würden auch gern den Ei-Dotter herstellen, aber das ist ganz schon schwierig", sagt Arturo Elizondo.

(rai)
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