Ukrainer stürmen Prunk-Palast Einmal im Luxus baden wie Viktor Janukowitsch

Kiew · Seinen Gegnern galt das Anwesen von Viktor Janukowitsch als Symbol der Korruption in der Ukraine, der Hausherr selbst lebte nach eigenen Angaben ganz bescheiden. Jetzt hat der Staatschef seine Datscha verlassen - und Tausende seiner Landsleute gucken sich dort um.

Während der Aufenthaltsort von Präsident Viktor Janukowitsch unklar ist, haben seine Landsleute sich am Wochenende in seinem Palast umgeschaut. Über dessen Anwesen bei Kiew rankten sich allerhand Gerüchte. Daran war der ukrainische Präsident nicht ganz unschuldig. Über seine Residenz sprach er höchst ungern und beschied nur, er lebe in einem bescheidenen Haus auf einem kleinen Grundstück in einem Park am Dnipro-Fluss außerhalb Kiews. Einblicke in seine Privatgemächer wollte er nicht geben. Seinen Gegnern galt seine Residenz denn auch als Symbol für die Korruption der Machtelite.

Doch am Samstag stehen die Tore zur Datscha Meschigorje auf einmal sperrangelweit offen: Fluchtartig hatte der Präsident zuvor unter dem Druck der Regierungsgegner die Hauptstadt verlassen. Breitschultrige Bereitschaftspolizisten, die bei Protesten gegen staatliche Zensur im vergangenen Sommer noch die Eingänge zum Anwesen verriegelten, sind nirgends zu sehen. Selbstverteidigungsgruppen der Opposition sorgen dafür, dass es nicht zu Plünderungen oder Vandalismus kommt.

Wohnverhältnisse des Staatschefs

Tausende Ukrainer strömen auf das Gelände, um sich aus erster Hand einen Eindruck von den Wohnverhältnissen eines Staatschefs zu machen, dem die Macht entglitten ist. Ihnen bieten sich atemberaubende Anblicke: Im ummauerten Anwesen schmiegen sich luxuriöse Villen an gepflegte Rasenwege. Es gibt weitläufige Parks zu sehen, Teiche mit Brunnen und wilden Enten, ein Tennisplatz, ein Golfplatz und einen Säulenpavillon.

Ein riesiges Holzgebäude, das offenbar als Gästehaus dient, ist verschlossen. Eintritt verboten. Doch ein verstohlener Blick ins Fenster sorgt für Staunen: Marmorböden, Kristall-Kronleuchter, ein raumgreifender Treppenaufgang mit einem Geländer, das aus Gold zu bestehen scheint. In der opulenten Empfangshalle steht ein Flügel.

Ein selbst ernannter Tourführer, der sich als Roman vorstellt, zeigt jedem Besucher das Gästehaus und einen Stufenteich mit eleganten Statuen ringsherum. "Da wurde unser Geld verschwendet", sagt er.

Wie ein "altertümlicher Pharao"

Der Unmut über den Luxus im Hause Janukowitsch ist groß. "Es sieht aus, als ob ein altertümlicher Pharao sein ganzes Imperium für ihn arbeiten ließ, der all das Steuergeld für sich ausgab", wütet Vitali Rus, ein Anwalt aus Kiew. Er ist mit seiner Frau Lila und seinem dreijährigen Sohn Artem gekommen. "Als wir Aufnahmen von der Residenz der britischen Königin anschauten, sahen wir einen solchen Luxus wie bei diesem modernen ukrainischen Diktator nicht."

Auch Julia Jaschtschenko hat ihren Sohn mitgebracht, den fünfjährigen Wolodymyr. "Ich wollte sehen, wie der Garant unserer Verfassung sozusagen lebt und das meinem Kind zeigen", sagte sie nicht ohne einen Hauch Sarkasmus in der Stimme. "Das sind historische Ereignisse."

Immer mehr Menschen drängen auf das Territorium, das Janukowitsch einst für tabu erklärt hatte. Einige legen sogar einen kilometerlangen Fußweg zurück, weil die Zufahrtsstraßen zur Datscha mit Hunderten Autos blockiert sind. Über Lautsprecher werden die Neuankömmlinge aufgerufen, nichts zu kaputtzumachen. Wer das Anwesen verlässt, wird von Aktivisten darauf durchsucht, ob auch ja nichts mitgenommen wurde.

Kurort für Kinder?

Einer der Besucher hat es eher auf den untergetauchten Hausherrn abgesehen. Janukowitsch müsse gehen - oder "gehängt oder an einem Ort versteckt werden, wo ihn keiner finden kann", fordert Mychailo Hawriljuk. Der bekannte Aktivist war im vergangenen Monat von Polizisten nackt ausgezogen, geschlagen und gedemütigt worden. Die Bilder von der Misshandlung gingen um die Welt. Nun schlägt Hawriljuk vor, dass Janukowitschs Anwesen in ein Kurort für Kinder verwandelt werde.

Anwalt Rus denkt nach seiner Rückkehr nach Kiew vor allem an die Opfer der blutigen Ausschreitungen der vergangenen Tage. "Heute ist ein Tag des Kummers, an dem wir die Hunderten Toten betrauern sollten. Dank ihnen konnten wir dieses Territorium betreten."

(ap)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort