Hausdurchsuchung bei Helmut Kohl? Bundestag müsste zuerst Immunität aufheben

Frankfurt/Main (AP). Der Druck von Justiz und CDU auf Altbundeskanzler Helmut Kohl wird immer stärker. Die Bonner Staatsanwaltschaft will nach "Spiegel"-Informationen die Wohnungen und Büros des ehemaligen CDU-Chefs durchsuchen lassen. Angesichts der Ermittlungen gegen Kohl sagte der designierte Unionsfraktionschef Friedrich Merz, er rechne nicht damit, dass Kohl noch einmal in den Bundestag zurückkehre.

Der scheidende Partei- und Fraktionschef Wolfgang Schäuble sagte, er habe mit dem dubiosen Finanzgebaren der CDU nichts zu tun gehabt und sei in die Machenschaften hineingezogen worden.

Laut "Spiegel" erwirkten die Ermittler einen Durchsuchungsbeschluss beim Amtsgericht. Wegen der parlamentarischen Immunität Kohls müsse nun aber noch der Bundestag zustimmen. Die Staatsanwaltschaft will den Angaben zufolge Kohls Büros und Wohnungen in Berlin und Oggersheim sowie die Wohnungen von Kohls langjähriger Bürochefin Juliane Weber und seines Chauffeurs Eckhard Seeber durchsuchen lassen. Den Gerichtsbeschluss will die Behörde innerhalb der nächsten Woche Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) zuleiten. Dieser müsse die Angelegenheit dann an den Immunitätsausschuss des Parlaments weitergeben. Gegen Kohl wird seit Anfang Januar wegen des Verdachts der Untreue zu Lasten der CDU ermittelt.

Merz kritisierte das Verhalten Kohl in der Spendenaffäre: "Sein Verhalten hat uns in die tiefste Krise unserer 50jährigen Parteigeschichte geführt", sagte er "Welt am Sonntag". Er glaube, dass sich Kohl selbst gegenwärtig nicht vorstellen könne, noch einmal in den Bundestag zurückzukehren. Merz würdigte aber zugleich die Verdienste Kohls. "Wir müssen uns auch klar machen, dass Kohls politische Erfolge zu den prägenden und dauerhaften Weichenstellungen unseres Landes zählen."

Schäuble sagte derselben Zeitung, ihm sei schon seit Wochen klar gewesen, dass seine Zeit an der Spitze von Partei und Fraktion abgelaufen war. "Ich bin im Bewusstsein der meisten Menschen zu sehr mit der Vergangenheit und dem Verantwortlichen für die existenzgefährdende Krise der CDU verknüpft, als dass ich noch eine reelle Chance gehabt hätte, die Union auf ihrem alternativlosen Kurs der Aufklärung und der Rückbesinnung auf die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner über Sachfragen voranzuführen."

Die scharfe Kritik seines Bruders, des baden-württembergischen Innenministers Thomas Schäuble, an Kohl nannte Wolfgang Schäuble "unklug". Die Äußerungen hätten allerdings bewiesen, dass "die Familie zusammenhält". Aus bloßer Wut habe sein Bruder nicht gesprochen. Thomas Schäuble hatte am Donnerstag in Stuttgart erklärt: "Ich verabscheue Herrn Kohl, und da kann ich für die ganze Familie sprechen."

Kohl hatte zugegeben, in den 90er Jahren Spenden bis zu zwei Millionen Mark in bar entgegen genommen zu haben, die anschließend nicht im Rechenschaftsbericht der Partei aufgeführt wurden.

(RPO Archiv)
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