Das Referendum wird zum Bumerang

Die Bilder von verzweifelten Rentnern, die Banken stürmen, erinnern eher an ein Entwicklungsland als an einen Staat in einer großen Wertegemeinschaft. Unfassbar, was inmitten von Europa geschieht. Und das gestrige Verhalten von Premier Tsipras macht wenig Hoffnung auf Besserung. Widersprüchlich wie eh und je waren seine Signale: Einerseits kündigte er an, die Reformauflagen nun doch (mit Abstrichen) zu akzeptieren, andererseits geißelte er die Geldgeber als "neokoloniale Herrscher". So wird er das zerstörte Vertrauen nicht zurückgewinnen.

Auch beim Referendum fährt er einen riskanten Kurs. Sagt die Mehrheit der Griechen Nein, wie er empfiehlt, kann er das als Bestätigung werten. Doch die Tür in Brüssel wäre damit zugeschlagen: Wenn das Volk die geforderten Reformen explizit ablehnt, wird Tsipras sie weniger denn je akzeptieren. Der Weg zu neuen Hilfen ist verbaut, die Banken wären am Ende. Sagt die Mehrheit dagegen Ja, wäre dies ein Misstrauensvotum gegen die Syriza-Politik und Tsipras am Ende. Das Land bräuchte Neuwahlen, für die es die Zeit nicht mehr hat. Das Referendum war auch aus Tsipras' Sicht ein Fehler, für das abermals die "kleinen Leute" in Griechenland zahlen müssen.

(RP)
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