Unmut in der SPD Das Sarrazin-Trauma

Berlin (RPO). Die SPD wird die Diskussion um ihren Buchautoren Thilo Sarrazin nicht los. Kaum ist die Entscheidung gegen den Ausschluss gefallen, muss sie gegen scharfe Kritik verteidigt werden. Doch auch bei einem Sarrazin-Rauswurf hätten sich die Sozialdemokraten viel Spott gefallen lassen müssen. Ein Dilemma, das die SPD selbst - allen voran Parteichef Gabriel - weiter verschärft hat.

Sarrazin bei der Buchvorstellung "Deutschland schafft sich ab"
6 Bilder

Sarrazin bei der Buchvorstellung "Deutschland schafft sich ab"

6 Bilder

Berlin (RPO). Die SPD wird die Diskussion um ihren Buchautoren Thilo Sarrazin nicht los. Kaum ist die Entscheidung gegen den Ausschluss gefallen, muss sie gegen scharfe Kritik verteidigt werden. Doch auch bei einem Sarrazin-Rauswurf hätten sich die Sozialdemokraten viel Spott gefallen lassen müssen. Ein Dilemma, das die SPD selbst - allen voran Parteichef Gabriel - weiter verschärft hat.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles tritt die Flucht nach vorn an. Im Deutschlandfunk erklärte sie am Morgen, es habe keine taktischen Überlegungen bei der Entscheidung über Sarrazins Verbleib in der Partei gegeben. Vielmehr habe er sich vor der Schiedskommission, die über seinen Parteiausschluss entscheiden sollte, von seinen diskriminierenden Äußerungen distanziert. Und sie betonte, dass eine demokratische Partei abweichende Meinungen aushalten müsse.

Die kritischen Stimmen allerdings wird sie damit nicht verstummen lassen. Zu sehr bestimmt die Causa Sarrazin schon wieder die Partei. Die SPD-Linke will keine "Narrenfreiheit" für den ehemaligen Berliner Finanzsenator, andere sprechen davon, die Partei sei eingeknickt, und der Gründer des Arbeitskreises jüdischer Sozialdemokraten, Sergey Lagodinsky, erklärte seinen Parteiaustritt.

Gabriel wagte sich weit vor

Dass es so kommen würde, hat die Partei aber auch selbst befördert. Als Thilo Sarrazin sein umstrittenes Buch "Deutschland schafft sich ab" veröffentlicht hatte, entbrannte eine wochenlange Diskussion nicht nur in der politischen Landschaft. Sarrazins Populismus sprach nicht wenigen Wählern aus dem Herzen. Einerseits machte die Diskussion deutlich, dass noch zahlreiche Hürden bei der Integration zu bewältigen gab und gibt, andererseits boten die Thesen Sarrazins selbst keine Lösung.

Es war nicht das erste Mal, dass der Unruhestifter Sarrazin mit seinen Thesen für Unmut sorgte. So sah sich auch die SPD damals genötigt, Stellung zu nehmen. Und das tat sie in aller Deutlichkeit. Allen voran SPD-Chef Sigmar Gabriel. "Dieses Menschenbild ist es, das mit den Werten der SPD nicht vereinbar ist", sagte er damals. Und er wurde im Laufe der Diskussion immer deutlicher.

Sarrazin befördere den "Boden für die Hassprediger im eigenen Volk", sagte Gabriel im September und bezeichnete ihn zudem als "Hobby-Darwin". Und es war auch der SPD-Chef, der Sarrazins Parteizugehörigkeit immer mehr in Frage stellte. Somit beförderte er noch mehr den Lärm um den umstrittenen Politiker, der schließlich in jenen Verfahren mündete, das nun sein klägliches Ende fand.

Die SPD fand sich damals ein in den Chor der Kritiker statt Lösungen zu suchen in der Integrationsdebatte. Mit einem eigenen Konzept dagegen hätte sie sich deutlich von den Thesen ihres Parteimitglieds distanzieren können.

Hohe rechtliche Hürden

Dass die Partei nun überraschend gegen den Parteiaustritt votiert hat, lässt die Worte Gabriels und manch anderer Parteikollegen von damals in einem anderen Licht erscheinen. So verwundert es kaum, dass bei manchem Genossen die Wut groß ist angesichts dieser Kehrtwende.

Andererseits hat der Beschluss durchaus logische Seiten. Einerseits besteht die Frage, ob sie rein rechtlich einen Rauswurf Sarrazins aus der SPD hätte durchboxen können. So wies auch Nahles auf die hohen rechtlichen Hürden hin: "Man kann nicht einfach jemanden rauswerfen, auch wenn er sich noch so kontrovers verhält."

Dann sind da auch noch die bevorstehenden Wahlen in Berlin, in denen die SPD ihre Regierungsmacht an die Grünen zu verlieren droht. Ein Rauswurf Sarrazins hätte die eine oder andere Wählerstimme kosten können - auch wenn sich die SPD gegen diesen Vorwurf wehrt.

In welches Dilemma die Causa Sarrazin die Partei bringen würde, schien auch Peter Struck schon zu Beginn der Debatte geahnt zu haben. Der langjährige Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion sagte damals: "Ich hätte klargestellt: Es ist die Einzelmeinung von Thilo Sarrazin, und dann hätte man es gut sein lassen sollen." Dann wäre die Diskussion vielleicht auch nur mit der Zeit verebbt statt nun wieder hochzukochen und der SPD nun mehr zu schaden als zuvor.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort