Kolumne: Berliner Republik Generalsekretär - (k)eine Schlüsselfigur

Früher war nicht alles besser. Die Generalsekretäre waren es schon. Vor rund zehn Jahren fing der Verfall des Postens an. Auch, weil das Markante in politischen Auseinandersetzungen nicht mehr so gefragt ist.

Haben Sie zehn Sekunden Zeit, ein Stück Papier und einen Stift zur Hand? Gut. Dann bitte bereitmachen. Hier kommt die Aufgabe: Notieren Sie die Namen der amtierenden drei Generalsekretäre der drei Regierungsparteien, also von CDU, CSU und SPD. Die Zeit läuft ab jetzt . . .

. . . neun, zehn. Ende. Steht etwas auf Ihrem Zettel? Nein? Das ist kein Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben und an seiner politischen Auffassungsgabe zu zweifeln. Denn der Generalsekretär als solcher siecht dahin. Seit Jahren. Man hat sich schon fast daran gewöhnt und vermisst ihn gar nicht mehr. An einem Wahlabend wie jetzt in Sachsen wird aber sein Fehlen schmerzhaft deutlich. Da versuchen sich die Generalsekretäre auf allen Kanälen daran, das Wahlergebnis in ihrem parteipolitischen Sinne in markante Sätze umzumünzen.

Bei Yasmin Fahimi (Auflösung eins) von der SPD zum Beispiel hört sich das dann so an: Es sei eine "rechte Suppe, die sich da zusammenbraut" in Sachsen. Das ist nun sowohl intellektuell als auch sprachlich höchstens halb gelungen. Man kann nur in etwa erahnen, was Frau Fahimi ihren Zuhörern im Deutschlandfunk damit sagen wollte.

Früher war nicht alles besser, aber die Generalsekretäre waren es schon. Heiner Geißler, Franz Müntefering, Kurt Biedenkopf, Peter Glotz (zu seiner Zeit nannte man das in der SPD noch Bundesgeschäftsführer), um nur ein paar Namen alternierend zwischen CDU und SPD zu nennen. Der Generalsekretär war eine Schlüsselfigur im politischen Gefüge einer Partei. Zuspitzer, Profilierer, strategischer Kopf. Für die Kanzlerpartei auch Hüter der Parteiinteressen im Zweifel auch gegen einen Regierungschef, den sein Amt automatisch immer ein Stück von seiner Partei entfernt.

Vor etwa zehn Jahren aber fing der Verfall des Postens an. Bei der einen großen Volkspartei hatte das damit zu tun, dass die Kanzlerin und Parteichefin Angela Merkel gar kein Interesse daran hatte, eine starke eigene Hausmacht im Adenauer-Haus aufbauen zu lassen. Deshalb sieht man vor dem geistigen Auge alle Vorgänger des amtierenden Generals Peter Tauber (Auflösung zwei) wie durch eine Milchglasscheibe. Nur als Schemen.

Und möglicherweise ist in der Merkel-Demokratie auch das Markante in der politischen Auseinandersetzung nicht mehr so gefragt, weil Gegensätze ohnehin lieber kaschiert als herausgestellt werden. Dann sollen sich CDU und SPD nicht wundern, wenn streitlustige Parteien an ihren Rändern entstehen, die erfolgreich in dieses Vakuum stoßen. Politik lebt vom geistreichen Streit. Generalsekretäre leben davon auch. Wenn es keinen Streit gibt, dann verkümmern sie.

Der Generalsekretär der CSU heißt übrigens Andreas Scheuer.

Christoph Schwennicke ist Chefredakteur des Magazins "Cicero" und schreibt regelmäßig an dieser Stelle im Rahmen einer Kooperation mit "Cicero". Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de.

(RP)
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