Kolumne: Gott Und Die Welt Milde Gaben

Die Bettler am Vatikan haben vom "Heiligen Jahr" nicht viel abbekommen. Dabei strömten Pilger in Massen nach Rom, um den Papst zu sehen. Seine frohe Botschaft hörten die Millionen wohl, aber verstanden hat sie sicher nicht jeder, geschweige denn in soziales Handeln umgesetzt.

Die armseligen Gestalten, abseits der römischen Pracht auf Gehsteigen und in Unterführungen kauernd, können ihre eigene Bilanz des Pilgerjahres ziehen. Dabei mag der finanzielle Ertrag bei manchem Bettler ganz ordentlich gewesen sein. Wahre Barmherzigkeit aber sieht anders aus.

Denn Almosen - wie mehr oder weniger achtlos hingeworfene Münzen - signalisieren nur bedingt Nächstenliebe. "Spenden" dieser Art sind in der Regel nicht mehr als eine reflexhafte Regung - ein Beruhigungsmittel gegen das schlechte Gewissen. Sie taugen kaum als Geste der Wertschätzung gegenüber dem Mitmenschen. Erst die persönliche Zuwendung, das spürbare Mit-Fühlen, zeugt von Barmherzigkeit.

Wer hierzulande vor dem Supermarkt bei einem Obdachlosen eine Zeitschrift kauft, kann mit diesem ins Gespräch kommen. Damit gibt er mehr als zwei Euro vierzig, vielmehr teilt er das Wertvollste, was er hat - seine Zeit. Er schenkt (s)einem Mitmenschen, der nicht zu seiner Familie, seinen Freunden, seinem sozialen Umfeld zählt, Aufmerksamkeit. Und vermittelt ihm das, was ihm am meisten fehlt: Zuwendung! Das uneigennützige Handeln, in der Bibel im Gleichnis vom barmherzigen Samariter vorbildhaft erzählt, wird in unserer Gesellschaft bisweilen verächtlich als "Gutmenschentum" abgetan. Wer bedingungslos helfe, lasse sich nicht selten von professionellen Bettlern und Betrügern ausbeuten, lautet der Einwand.

So werden (freiwillige!) Helfer oftmals als weltfremde Träumer denunziert, die mit ihrem Tun unserer Gesellschaft und deren ureigensten Interessen keinen guten Dienst erweisen, wenn nicht gar destabilisierend wirken.

Auf diese Weise schleicht sich Hass in die Flüchtlingsdebatte.

Dabei ist eine einende Barmherzigkeit gerade da gefragt, wo sie uns am schwersten fällt! Sie setzt immer Opferbereitschaft voraus: Verzicht auf etwas, was einem lieb ist. Wer kranke, verwirrte Menschen betreut und pflegt, muss sich voll einbringen - nicht nur waschen und füttern, auch zuhören, sprechen ... Aufmerksamkeit schenken! Das kostet Zeit, Nerven und damit "Lebensqualität".

Die professionellen Helfer leisten viel, können aber nur bedingt das geben, was aus freiwilligem, liebendem Herzen kommt: das Mitgefühl, die streichelnde Hand und das liebe Wort sind für einen kranken, einsamen, alten Menschen mehr wert als tausend Geschenke zur Weihnachtszeit.

Ein bisschen davon sollten wir eben auch den verängstigten Flüchtlingen dieser Welt zukommen lassen! Sie sind, wie wir, Geborgenheit suchende Menschen. Auf allen Seiten gibt es genügend viele, die die Gutmütigkeit und Ängste anderer für ihre perversen Pläne ausnutzen - indem sie Hass und Unruhe schaffen, wo immer es geht. Denen sollten wir unsere Frohe Botschaft entgegenhalten, deren Bedeutung wir am heutigen Abend so gerne mit allen Menschen teilen wollen: Gott ist der Vater der Barmherzigkeit! Tragen wir sie in die Welt - auch, wenn es uns schwerfällt, in dunkler Zeit!

(RP)
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