Bilanz nach zwölf Jahren Vorsitz Philipp Mißfelder geht - die Junge Union spuckt Gift und Galle

Philipp Mißfelder muss den Vorsitz der Jungen Union abgeben. Mit 35 Jahren ist er zu alt. Seine Bilanz: ziemlich durchwachsen. Die Sache mit dem Krückenspruch gegen Rentner wird er nicht mehr los. Auch den Übergang hat Mißfelder nicht regeln können: Vor der Tagung am Freitagabend ist die Stimmung vergiftet von Intrigen und Beleidigungen.

Philipp Mißfelder – langjähriger Vorsitzender der Jungen Union
12 Bilder

Philipp Mißfelder – langjähriger Vorsitzender der Jungen Union

12 Bilder

Die JU-Ära Mißfelder geht zu Ende. Der Verband ist gut aufgestellt, aber brav. Letzteres ist wenig schmeichelhaft für eine Parteijugend - und angenehm für Merkel. Ob das so bleibt, hängt vom neuen Chef ab.

Das wird die Junge Union lange nicht mehr erleben. Einen Vorsitzenden, der diesen großen Jugendverband von CDU und CSU zwölf Jahre führt. Das ist schon deshalb schwierig, weil es eine Altersgrenze von 35 Jahren gibt und die Kandidaten für das Amt selten Anfang 20 sind. Philipp Mißfelder ist es gelungen. 2002 war er 23 Jahre jung, als er Chef der Nachwuchsorganisation wurde, die ungefähr so viele Mitglieder wie Grüne und Linke zusammen hat. Nun gibt er das Amt ab - altersbedingt. Eine Ära geht zu Ende - mit gemischter Bilanz.

Die Stimmung ist vergiftet

Dass der Nachfolger vor großen Herausforderungen steht, hat vor allem mit der Kampfkandidatur am Freitagabend im bayerischen Inzell zu tun. Mit Benedict Pöttering (31) und Paul Ziemiak (29) treten nicht gerade große Gentlemen an. Die Stimmung ist ziemlich vergiftet. Wie in CDU und CSU geht es um Macht, Einfluss, Posten und Strippen. Dazu später.

Die JU-Spitze ist ein Sprungbrett für die Parteikarriere. Drei Vorsitzende wurden später Bundesminister. Mißfelder aber dürfte das so lange nicht werden - und vielleicht gar nicht werden wollen -, wie Parteichefin und Kanzlerin Angela Merkel das Sagen hat. Der 35-Jährige ist stolz darauf, Helmut Kohl seinen Freund nennen zu dürfen. Merkel hat mit dem Altkanzler und langjährigem CDU-Chef wegen der Spendenaffäre der Partei gebrochen.

Beliebt ist er bis heute nicht

Mißfelder zählt auch Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) zu seinem Freundeskreis und so fuhr er im April auch zu dessen Geburtstagsparty in Russland - Präsident Wladimir Putin inklusive. Zur Verärgerung von Merkel, die wegen der Ukraine-Krise selbst auf Abstand blieb. Ihr sind Politiker auch immer etwas suspekt, die wie Mißfelder hohe Nebeneinkünfte in der Wirtschaft haben.

Mißfelder zieht sich immer weiter aus Merkels Umfeld zurück. Im April gab er sein Amt als Amerika-Beauftragter der Regierung auf, um frei zu sein für das Schatzmeisteramt in der NRW-CDU. Im Dezember tritt er nicht mehr für das CDU-Präsidium an. Seine Wahlergebnisse waren hier stets dürftig. Mißfelders Managementfähigkeiten werden geschätzt, als eher Konservativer wird er gebraucht, aber er ist nicht sehr beliebt. Für das Amt des außenpolitischen Sprechers der Unionsfraktion im Bundestag kandidiert er bei der Wahl am Dienstag aber wieder.

Ein Strippenzieher sondergleichen

In seiner zwölfjährigen Amtszeit - keiner seiner 13 Vorgänger war so lange an der Spitze - hat Mißfelder die JU zu einem finanziell gesicherten, gut funktionierenden und durchorganisierten Verband gemacht. Das ist auf seiner Haben-Seite. Im Soll sieht er selbst die inhaltliche Stärke. Er hätte die JU gerne zur bürgerlichen Avantgarde gemacht. Aber: "Events haben einen höheren Stellenwert als der Diskurs", bedauert er. Für eine Parteijugend eher ein Armutszeugnis.

Mißfelder wirkt manchmal immer noch wie ein großer Junge, offen und direkt. Doch das Amt hat ihn geschult. Die Sache von 2003 mit den Hüftgelenken, die er 85-Jährigen nicht mehr auf Kosten der Solidargemeinschaft einsetzen lassen wollte, würde ihm nicht mehr passieren. Er hat sich ein riesiges Kontaktnetz aufgebaut, im In- und Ausland, in Politik und Wirtschaft. Zu seinen größeren Posten zählt der Vorstand von Deutschlands wichtigstem Transatlantik-Netzwerk Atlantik-Brücke. Einen Wechsel in die Wirtschaft dürfte er leicht hinbekommen, vielleicht macht er dafür aber zu gern Politik.

Raubein gegen Leisetreter

Die letzte Kampfkandidatur, an die man sich in der JU noch erinnern kann, war 1973. Damals setzte sich Matthias Wissmann durch. Er wurde später Bundesverkehrsminister. Nun treten der JU-Vize Pöttering, er kommt aus Niedersachsen, und Ziemiak, JU-Chef Nordrhein-Westfalens, gegeneinander an. Sie hätten es versäumt, frühzeitig ein "Gentlemen's Agreement" zu schließen und ihre Anhänger auf einen sauberen Wahlkampf einzuschwören, heißt es in JU-Kreisen. So kursierten Vorwürfe, Beleidigungen, Verletzungen.

Pöttering gilt als Raubein und unerschrocken, die Kanzlerin auch auf einem Parteitag zu kritisieren. Ziemiak ist zurückhaltender und auf Konsens bedacht. Sie unterscheiden sich etwas in ihren Schwerpunkten - Pöttering macht auch gern Außenpolitik, Ziemiak geht innenpolitisch mehr ins Detail -, aber nicht gravierend in ihren Zielen. Für wen die Delegierten in Inzell stimmen werden, hängt stark von ihren Bewerbungsreden ab. Die Wahl entscheidet dann darüber, welchen Typ Chef die Junge Union nach Mißfelder bekommt. In der Sprache der Pöttering- und Ziemiak-Lager: Einen Krachmacher oder Leisetreter.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort