Brüderle im Streit um Abschaltung der AKW "Solide Fakten statt ideologische Schnellschüsse"

Berlin (RPO). Wirtschaftsminister Rainer Brüderle hat vor "ideologischen Schnellschüssen" bei der Frage der Laufzeiten der Atomkraftwerke gewarnt. Ohne direkte Kritik an seinem für Reaktorsicherheit zuständigen Kollegen Norbert Röttgen (CDU) zu üben, erklärte der FDP-Politiker, nur solide Fakten könnten eine langfristige Perspektive in der Atompolitik schaffen.

Atomkraftwerke in Deutschland
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Foto: AP

Röttgen erinnerte daran, dass erste Atomkraftwerke zur Abschaltung anstünden, bevor die Bundesregierung ihr Energiekonzept fertig habe. Brüderle schrieb in der "Bild am Sonntag": "Wenn wir nicht wollen, dass die Strompreise durch die Decke gehen, müssen wir eine Brücke ins regenerative Zeitalter bauen." Diese Brücke sei für die Koalition - neben der Nutzung sauberer Kohle - die Kernenergie. Eine langfristige Perspektive könne nur entstehen, "wenn mit soliden Fakten statt mit ideologischen Schnellschüssen gearbeitet wird".

Brüderle bekräftigte den Koalitionsbeschluss, Zusatzgewinne durch Laufzeitverlängerungen für erneuerbare Energien zu nutzen. "Eines ist klar: Niemand will neue Kernkraftwerke in Deutschland." Niemand wisse genau, wie die Energiewelt in den nächsten Jahrzehnten aussehe. "Vielleicht kann ja die natürliche Energiequelle der Sonne Vorbild sein: die Kernfusion. Das sehe ich wie unsere Kanzlerin."

Kritik an Röttgen hält an

Röttgen lehnte es im "Tagesspiegel" ab, den Weiterbetrieb alter Atomkraftwerke mit politischen Entscheidungen zu sichern. Die Frage der Laufzeiten werde im Rahmen des energiepolitischen Konzepts der Koalition entschieden, "nicht schon vorher". Das wäre im Herbst. Bis dahin müsse "der Betrieb einzelner Kernkraftwerke auf der Basis des geltenden Rechts entschieden werden", sagte Röttgen.

Der baden-württembergische Atommeiler Neckarwestheim 1 muss nach dem rot-grünen Energiekonsens voraussichtlich im Mai abgeschaltet werden, das hessische Kraftwerk Biblis A wohl im Sommer. Röttgen sagte, es sei Sache der Energiekonzerne, sich über andere Wege wie die Übertragung von Strommengen aus anderen Atommeilern zu verständigen.

"Ich werde den Koalitionsvertrag sehr genau einhalten", sagte der Minister. "Wir haben die Kernenergie als 'Brückentechnologie' definiert und festgehalten, dass die Brücke endet, wenn die erneuerbaren Energien verlässlich die Kernenergie ersetzen." Den Kritikern hielt er "Missverständnisse" vor. "Einige nehmen nicht wahr, was auf dem Papier des Koalitionsvertrags steht", sagte er.

Der bayerische Umweltminister Markus Söder (CSU) warnte Röttgen, die Atompolitik als Vehikel einer Annäherung an die Grünen zu missbrauchen. "Das Thema ist zu wichtig, um es irgendeiner Koalitionsüberlegung zu opfern", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Der nordrhein-westfälische Innovationsminister und stellvertretende FDP-Chef Andreas Pinkwart erinnerte Röttgen daran, dass er den Auftrag habe, "zusammen mit dem Wirtschaftsminister ein Energiekonzept aus einem Guss zu erstellen. Das ist ein schwieriger Auftrag, den man nicht mit Aktionismus in Einzelfragen beantworten kann".

Grünen-Chefin Claudia Roth meinte, Röttgens Einlassungen gäben ihm nur noch die Möglichkeit zum schnellstmöglichen Atomausstieg und der "konsequenten Fortsetzung rot-grüner Energiepolitik". Wenn Schwarz-Gelb die AKW-Laufzeiten auch nur um einen Monat verlängere oder wie geplant die Förderung für die Solarenergie vorzeitig kürze, "ist Norbert Röttgen als Umweltminister gescheitert", sagte sie.

(apd/felt)
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