Gefährliche Bewegung "Reichsbürger" — Was Sie jetzt wissen müssen

Düsseldorf · In Georgensgmünd hat ein sogenannter Reichsbürger einen Polizisten schwer verletzt. Längst ist diese Bewegung mehr als nur ein Sammelbecken skurriler Spinner. Die wichtigsten Fakten im Überblick.

 Ein Ausweis, mit dem niemand weit kommt.

Ein Ausweis, mit dem niemand weit kommt.

Foto: dpa, pse lof sja

Die sogenannten Reichsbürger gehen davon aus, dass das Deutsche Reich weiterhin fortbesteht und nach dem Zweiten Weltkrieg nicht abgeschafft wurde. Deshalb erkennen sie die Bundesrepublik Deutschland und das Grundgesetz nicht an. Viele von ihnen weigern sich deshalb, Steuern zu zahlen, da diese in ihren Augen von einem illegalen Staat erhoben werden. Selbst Strafzettel führen so zu langwierigen Schriftwechseln mit den Behörden. "Reichsbürger" ist eine Eigenbezeichnung der Anhänger. Der Politikwissenschaftler Jan Rathje empfiehlt deshalb in einer Broschüre der Amadeu-Antonio-Stiftung den Begriff Reichsideologen. Davon zu unterscheiden sind die sogenannten Selbstverwalter. Diese unterscheiden sich allerdings nur dadurch, dass sich nicht auf ein Deutsches Reich fixiert sein müssen. Sie sind aber wie die Reichsbürger davon überzeugt, dass für sie die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland nicht gelten.

Wolfgang Gerhard Günter Ebel ist laut Rathje Begründer der Bewegung. In den 80ern machte er sich zum "Reichskanzler" und schuf in Westberlin eine "Kommissarische Reichsregierung". Mit dieser erließ er Todesurteile gegen Beamte wegen "Volksverrat". Außerdem verkaufte sie "Reichsdokumente" wie Führerscheine und Ausweise. Mittlerweile sind weitere selbsternannte Regierungen dazugekommen, darunter die "Exilregierung Deutsches Reich" und die "Republik Freies Deutschland". Da sich diese Gruppierungen schnell wieder spalten und weitere neue Regierungen gründen, ist es schwierig, den Überblick zu behalten.

Nicht jeder "Reichsbürger" ist rechtsextrem, aber Jan Rathje bezeichnet die Reichsideologie als "in ihrem Kern rechtsextrem". Anschlussfähigkeit besteht schon allein durch den Verweis auf die Fortexistenz des Deutschen Reiches. Viele "Reichsbürger" sind auch Antisemiten.

Zu den häufigsten Behauptungen gehört, Deutschland habe keine Verfassung, weil es eben bis heute nur ein Grundgesetz gebe. Der Name "Grundgesetz" für die Bundesrepublik Deutschland war aber 1949 mit der Hoffnung verbunden, die deutsche Einheit werde bald wieder hergestellt. Deutschland ist trotz anderslautender Behauptungen der Reichsbürger ein souveräner Staat, spätestens durch durch den "2+4"-Vertrag 1990. Gerne behaupten Reichsbürger auch, Deutschland sei eine Firma ("BRD GmbH"). Tatsächlich gibt es eine Deutschland GmbH (exakt heißt sie "Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH"), die aber verwaltet lediglich die Finanzen des Bundes und trifft keine selbständigen Entscheidungen. Als weiterer vermeintlicher Beleg dafür, dass Deutschland eine GmbH ist, soll die Tatsache dienen, dass wir einen "Personalausweis" bei uns tragen und keinen "Personenausweis". Doch ist damit eben kein Personal gemeint, sondern leitet sich vom Wort "personalia" ab, im Sinne von "Personalien".

Mögen "Reichsbürger" zunächst nur einen skurrilen Eindruck machen, weil sie zum Beispiel bei Führerscheinkontrollen Fantasiepapiere vorzeigen, so haben sie mittlerweile auch bewiesen, dass sie vor Gewalt nicht zurückschrecken. 2012 rief die "Die Reichsbewegung - Neue Gemeinschaft von Philosophen" alle "raum-, wesens- und kulturfremden Ausländer" dazu auf, Deutschland bis zum 1. August zu verlassen. Danach könnten sie ihre Sicherheit nicht mehr garantieren. Im selben Jahr nahmen Mitglieder des "Deutschen Polizei Hilfswerk" einen Gerichtsvollzieher fest, der eine Zwangsvollstreckung in Sachsen durchführen sollte. Die Polizei befreite ihn. Im August 2016 gab der frühere Mister Germany Adrian Ursache Schüsse auf die Polizei ab, als dessen Haus zwangsgeräumt werden sollte. Er hatte auf seinem Grundstück den Staat "Ur" gegründet. In Georgensgmünd (Bayern) verletzte im Oktober ein "Reichsbürger" mit Schüssen mehrere Polizisten, als diese seine Waffen sicherstellen wollten.

Aufgrund der zahlreichen Neugründungen und Zerwürfnisse in der Szene ist die Zahl der "Reichsbürger" kaum zu erfassen, schrieb das Bundesinnenministerium schon 2012. Die Zahl der rechtsextremen "Reichsbürger" schätzte es damals auf eine niedrige dreistellige Zahl.

(seda)
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