Lebensmittelbezeichnungen Wie schmeckt eigentlich eine Vegadelle?

Meinung | Düsseldorf · CSU-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt sorgt sich um irreführende Lebensmittelbezeichnungen. Die vegane Currywurst soll deshalb als Bezeichnung verboten werden. Und das soll weniger verwirren?

 Wird die vegetarische Wurst zur "Vegurst"?

Wird die vegetarische Wurst zur "Vegurst"?

Foto: dpa, dka wst

Im Kampf für die klare Sprache hat sich der CSU-Politiker Christian Schmidt nach dem Käse nun das Fleisch vorgeknöpft. Der deutsche Landwirtschaftsminister wirbt beim EU-Amtskollegen Vynetis Andriukaitis dafür, das vegetarische Schnitzel und die vegane Currywurst den Weg des analogen Käses gehen zu lassen — und somit als Produktbezeichnung wegen Irreführung der Verbraucher zu verbieten.

Die Nahrungsmittelindustrie darf bereits bei Kunstkäse nicht mehr mit dem Wort "Käse" werben. "Was drauf steht, muss auch drin sein", lautet die Devise des Ministers aus Bayern. Da sollte er künftig in seiner Heimat jeden Fleischkäse meiden.

"Was drauf steht, muss auch drin sein"

Als weiteren Beleg nimmt er die aus Pflanzen gewonnenen Streichfette, die früher fälschlich als "Butter" in den Regalen standen und nun einheitlich als "Margarine" gekennzeichnet werden. Das Beispiel trifft. Aber der Verbraucher musste nicht lange umlernen. Die Begriffe waren geläufig.

Anders ist es bei den erst seit wenigen Jahren auf breiter Front vorrückenden veganen oder vegetarischen Fleischersatz-Mitteln. Sie dienen ja gerade dazu, das erwartete Geschmacksmuster zu erfüllen, es inhaltlich aber als fleischlose Alternative anzubieten. Wer die "vegane Currywurst" auf der Speisekarte liest, weiß sofort, dass hier etwas wie Currywurst aussehen und wie eine schmecken soll, dass aber keine Wurst im herkömmlichen Sinne drin steckt.

Verwirrung gibt es für den Außenstehenden zur Genüge, ohne dass es gegen Vegetarier oder Veganer geht. Wie viel Fleisch steckt etwa im Palatschinken? Wie groß ist das Geflügel, das in Köln für den "Halven Hahn" Verwendung findet? Für Nicht-Österreicher und Nicht-Rheinländer: Das eine ist ein Eierkuchen, das andere ein Stück Käse auf Roggenbrötchen. Von Fleisch und Flattermann weit und breit keine Spur. Wird Schmidt den Kölnern ihre sprachliche Gewohnheit wegnehmen, wenn er "Fleisch" genau so schützen will wie "Käse"?

Vegane und vegetarische Grillrezepte
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Foto: dapd, Thomas Lohnes

Das brächte Probleme über Probleme: Müssen die Angaben auf Saftflaschen verschwinden, die bislang mit ihrem Anteil an Fruchtfleisch warben? Werden dann auch die Fleischtomaten verboten? Und was ist mit dem alten DDR-Rezept für Jägerschnitzel, das in Wirklichkeit aus Wurstscheiben besteht?

"Vegurst" und "Vegadelle"

Soll man sich doch, wie die Komikerin Carolin Kebekus, über die Neigung von Vegetariern und Veganern lustig machen, wenn sie krampfhaft versuchen, zu fleischlosem Fleischgeschmack zu kommen. Sie ist umgekehrt so frei, Mett als "Bauarbeiter-Marmelade" zu bezeichnen oder sich eine Möhre aus Hackfleisch zu wünschen. Wichtigste Orientierung sollte in all diesen Zusammenhängen das Kochbuch und nicht das Gesetzbuch bleiben.

So lecker kann vegane Küche sein
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Überzeugender wäre der Vorstoß zudem, wenn es wenigstens schon Ideen für Alternativbezeichnungen gäbe. Schmidt verweist hier auf die Verantwortung der Nahrungsmittelproduzenten und auf seine eigene Lebensmittelkommission, in der sich Vertreter von Verbrauchern, Herstellern und Einzelhandel um die Produktklarheit kümmern.

Sollten sie beim schon bestehenden Kunstwort "Vegulasch" ansetzen und dann halt aus der vegetarischen Wurst eine "Vegurst" machen, aus dem vegetarischen Schnitzel ein "Venitzel" und aus der vegetarischen Frikadelle eine "Vegadelle"? Und kann das wirklich zu mehr Klarheit führen?

Schmidt hat sich zu Beginn seiner Amtszeit von der heute-show vorführen lassen und sich vor der Kamera zum Hanswurst gemacht, indem er bekannte "Je suis Greußener Salami." Rührt daher seine Sehnsucht nach Bezeichnungsklarheit? Oder muss er immer dann daran denken, wenn er daheim im Wirtshaus zu einem alkoholfreien Bier ein Fleischpflanzerl verzehrt (für Nicht-Bayern: eine Frikadelle).

(may-)
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