Lexington Die Tea Party ist zurück in der US-Politik

Lexington · Die erzkonservative Bewegung ist eine der einflussreichsten Gruppen innerhalb der republikanischen Partei. Im Bundesstaat Kentucky fällt heute die Vorentscheidung, wer für den US-Senat kandidiert. Matt Bevin tritt gegen Mitch McConnell an - es droht die Rache der Radikalen.

Die Hymnen sind gesungen, ein Reverend hat um Gottes Segen gefleht, eine Ehrengarde das Sternenbanner quer durch die neonhelle Basketballhalle getragen. Gleich lässt die Leiterin der Tombola wissen, wer das Kochbuch mit Rezepten Nancy Reagans gewinnt - aber zuerst hat Matt Bevin seine 30 Sekunden.

Kandidatenkür in Monticello, im Süden Kentuckys, wo sich die ortsansässigen Republikaner zum alljährlichen Ronald-Reagan-Dinner versammelt haben. Bier und Wein sind tabu, denn das Wayne County, in dem Monticello liegt, versteht sich als "trockener" Landkreis. Dunkle Gesichter sucht man vergebens. Die Grand Old Party im Wayne County ist durchweg weiß und obendrein ziemlich grau. "Ich bin der Einzige auf der Liste, der Arbeitsplätze geschaffen hat", tönt Bevin. Deshalb möge man ihn in den Senat zu Washington delegieren. Ihn, den Seiteneinsteiger, den Praktiker. Nicht Mitch McConnell, den Berufspolitiker, den Theoretiker.

Die amerikanische Basisdemokratie kann Demut lehren. Zwei Dutzend Bewerber stellen sich vor. Jeder hat drei, vier Sätze dafür. Etwa der Hüne, der gerne Sheriff wäre, oder ein gewisser Ray C. Upchurch, der Gefängnisdirektor bleiben möchte. Hinterher baut sich Bevin an der Hallentür auf und schüttelt jedem die Hand. Mancher schlängelt sich so hastig an ihm vorbei, als sei der Mann ein Aussätziger. Aber es gibt auch Dinnergäste wie Bonnie Meyer, die sich in Gespräche verwickeln lassen. Bevin erzählt der 89-Jährigen von seinen neun Kindern, vier sind adoptiert, aus Äthiopien. Irgendwann sagt Bonnie Meyer, sie finde diesen Herrn wirklich nett, und zieht sich unauffällig den blau-weiß-roten "Mitch"-Sticker von der Weste.

Mitch - das ist Mitch McConnell, der mächtigste Konservative im US-Senat, republikanischer Sprecher der Fraktion. Ein staubtrockener Redner, dessen Stärke es ist, im Stillen an Gesetzen zu feilen. McConnell ist 72 Jahre alt, seit 1984 Senator. Die graue Eminenz der Partei. Von ihm stammt der Satz, dass es am allerwichtigsten sei, Präsident Barack Obama nach vier Jahren im Weißen Haus abzulösen. Die Realität hat den Satz überholt - im Oktober stellte sich sogar McConnell gegen die Hardliner in den eigenen Reihen, um für ein höheres Schuldenlimit zu stimmen. Dafür ereilt ihn nun die Rache der Rebellen.

Beim parteiinternen Vorausscheid heute will die Tea Party den Platzhirsch besiegen, um an seiner Stelle Bevin ins herbstliche Kongresswahlduell gegen die Demokraten zu schicken. Gelingt es, wäre es ihr lautester Paukenschlag überhaupt. Scheitert der Aufstand, könnte das konservative Establishment sagen, es habe die Rebellion endgültig abgewehrt. Es geht um viel in Kentucky.

Bevin und die Tea Party: Es ist ein seltsames Tandem. Man spürt das bei der kleinen Grillparty an einem Ententeich in Lexington, der Metropole der Pferdezucht. Eher lustlos spult der Geschäftsmann das Standardprogramm der Fundamentalopposition herunter: Von den Gründern der Republik lernen, die Macht des Bundes beschneiden, Sozialausgaben kürzen, sonst ende es wie im Sozialismus.

In Fahrt kommt er erst, als er auf die "Waschlappen in Washington" schimpft. Ob Demokraten oder Republikaner - wer zu lange in der Hauptstadt sitze, der werde arrogant wie ein Kaiser. "Kaiser ohne Kleider sind das, sie streichen sich selbstgefällig über ihre imaginären Roben und verschwenden Geld, dessen Wert sie nicht zu schätzen wissen. Steuerdollars. Das Geld des Volkes."

Der 47-Jährige ist mehrfacher Millionär, was ihn nicht daran hindert, in einem sehr betagten Chevy Suburban über die Lande zu fahren. Er war Artillerie-Offizier bei der Armee, durchquerte Amerika von Oregon bis Florida auf einem Fahrrad und rannte mit den Stieren durch Pamplona. Aufgewachsen ist er in den Wäldern New Hampshires als zweites von sechs Kindern, der Vater war Arbeiter in einem Sägewerk. "Es gab keine Tankstelle, keine Schule, kein Postamt im Dorf und zu Hause nur ein Plumpsklo." Bevin genießt es, vom schweren Start ins Leben zu erzählen. Zumal alles auf eine Zeile zuläuft: "Ich bin David, Mitch ist Goliath."

Als Investmentbanker scheffelte Bevin ein Vermögen. Doch misst man es an der reinen kapitalistischen Lehre, die er verkündet, gibt es ein paar Schwachstellen in seiner Berufsbiografie. Im Herbst der Finanzkrise etwa war in einem Rundbrief an Bevins Klienten zu lesen, dass das einzig Positive derzeit die Rettungspakete des Staates seien. Genannt wurden auch die 700 Milliarden Dollar (umgerechnet rund 510 Milliarden Euro), mit denen Uncle Sam die Wall-Street-Banken stütze. Er habe das nicht selber verfasst, nur eben als Chef den Brief irgendwo unterschrieben. Auf diese Weise zieht sich Bevin aus der Affäre, wenn es heißt, seine ganze Tea-Party-Radikalität beschränke sich doch nur aufs Rhetorische.

(RP)
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